Geht es um Geschlechtergerechtigkeit, suchen viele Männer in Unternehmen, Politik und Privatleben schnell das Weite. Was hält sie zurück aktiver zu werden? Warum spielen Ängste und Statusverlust eine Rolle? Und mit welchen Werkzeugen, bekommen wir sie an Bord. Martin Speer gibt in seinem Impuls Einblicke in die HERR & SPEER Arbeit mit hunderten von männlichen Führungskräften und beleuchtet selbstkritisch, warum es konstante innere Arbeit auf dem Weg zum effektiven Verbündeten braucht.
Thema
Wirtschaft, Arbeit & New Work | Gesellschaft
Angaben zum Referenten
Martin Speer Martin Speer grew up in the countryside in Middle Franconia, Germany. After completing his apprenticeship as an industrial clerk, he studied economics and communication sciences in the USA and Germany. As an entrepreneur, he has founded two companies and launched a series of high-impact political campaigns. Martin Speer is an author, feminist, consultant, and dedicated European. In his work as part of the author and consultant duo HERR & SPEER, alongside Vincent-Immanuel Herr, he focuses on gender equality (Male Allyship) and Europe. He writes articles and books on these topics, delivers speeches and workshops, and supports companies and authorities. HERR & SPEER are HeForShe ambassadors for UN WOMEN Germany and were appointed to the Gender Equality Advisory Council of the G7 nations (GEAC) in 2022.
The contribution was recorded as part of the herCAREER Expo 2024 and prepared as a podcast.
[00:00:00] Martin Speer: Wir stellen fest, dass viele Männer ein intellektuelles Verständnis davon haben. Das macht man jetzt so, wir haben KPIs, es gibt eine Reportingpflicht, aber sie verstehen es emotional nicht. Und ich glaube so, das persönlich versuchen zu erfahren, diese sicheren Räume auch mit Frauen zu haben, mit Kolleginnen ins Gespräch darüber zu kommen, das macht schon echt einen Unterschied.
[00:00:22] *Musik*
[00:00:37] Kristina Appel: Willkommen beim HerCareer-Podcast. Du interessierst dich für aktuelle Diskurse aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, und das insbesondere aus einer weiblichen Perspektive? Vielleicht wünschst du dir persönliche Einblicke in den Arbeitsalltag von Menschen und Unternehmen, die sich dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel stellen? Dann bist du hier genau richtig. Ein Drittel der deutschen Männer hat eine antifeministische Haltung. Und bei jüngeren Männern steigt dieser Wert sogar. Autor und Berater Martin Speer spiegelt in dieser Live-Aufnahme, wie tradiert die Haltung vieler Männer immer noch ist und wo seiner Erfahrung nach die Ursachen dafür liegen. Er wünscht sich mehr männliche Verbündete, echte Verbündete. Die gute Nachricht ist: Wenn ein Drittel der Männer antifeministisch agiert, dann gibt es immer noch zwei Drittel, die sich gemeinsam für den Wandel einsetzen können. Wie gute Ansätze aussehen könnten, hört ihr in dieser Folge.
[00:01:41] Martin Speer: So, hallo in die Runde. Ich bin eingesprungen mit einem Thema, was aber auch sehr relevant ist, nämlich wie wir die Männer an Bord bekommen. Und warum viele Männer glauben, Geschlechtergerechtigkeit, das geht mich nichts an. Es ist auch alles schon super, warum müssen wir uns denn bewegen? Und deswegen ist heute das Thema jetzt für diesen Impuls “Male Allyship”, Männer als Verbündete über Ängste, Ausreden, aber auch die Chance auf Veränderung. Jetzt könnte man ja fragen, warum spricht denn hier ein Mann über Geschlechtergerechtigkeit? Ich finde, ich möchte fast mit einer Gegenfrage antworten. Warum sprechen denn so wenige Männer über Geschlechtergerechtigkeit? Warum beschäftigen sie sich nicht damit? Warum stehen sie so am Spielfeldrand und denken, ist doch alles super? Gibt es denn überhaupt noch was zu tun? Ich glaube, mehr Männer sollten in diese Welt auch eintauchen. Und sich auf die Reise begeben, Teil der Lösung zu sein und nicht sozusagen auf den Problemen zu stehen. Das, was ich Ihnen jetzt mitgebracht habe, sind Beobachtungen aus der Arbeit, die wir in den letzten Jahren machen. Sie sehen das schon, im Februar nächsten Jahres erscheint ein neues Buch von uns bei Uhlstein, was da heißt “Wenn die letzte Frau den Raum verlässt”. Und im Kern geht es darum, dass wir einen Einblick geben, was wir in den letzten Jahren in der Arbeit mit männlichen Führungskräften hinter verschlossenen Türen so erleben. Bei der Bundeswehr, bei Maschinenbauern, in der Politik. Und in diesem Buch geben wir so ein bisschen Einblick, was denn so die Kerle dann auch sagen. Und was sie immer noch sagen. Und ein paar Einblicke habe ich heute auch mitgebracht. Ganz oft, wenn wir mit Männern zu diesem Thema arbeiten, sehen wir das. Ich komme aus einer Familie, da bekomme ich ehrlicherweise ganz oft immer noch so einen Blick. “Ganz ehrlich, ist jetzt nicht auch mal genug, müssen wir uns jetzt noch damit beschäftigen?”, da werden die Augen verdreht. Und ich glaube, gleichzeitig durch das Augen Verdrehen, übersehen wir auch was, nämlich dass es noch jede Menge zu tun gibt. Genau, das sind sozusagen wir, die das tun, Vincent Herr und ich Martin Speer, wir sind ein Autoren- und Beraterduo, sitzen in Berlin und in den Vereinigten Staaten und arbeiten eben sehr viel mit Männern zu diesem Thema. Wir schreiben relativ regelmäßig für die “Zeit” und den “Spiegel” dazu, also vielleicht ist schon jemand mal über ein Artikel von uns gestolpert. Jedenfalls treibt uns sehr das Thema um, wie wir mehr Männer an Bord bekommen. Wenn man über Männer als Verbündete nachdenkt, könnte man manchmal über einen Herrn vielleicht nachdenken, der vielleicht das verstanden hat, dass er in der Position, wo er ist, weil er vielleicht Einfluss in einem Unternehmen hat, weil er mit über ein Gesetz entscheidet, echt einen Hebel hat. Und in der Arbeit mit vielen Männern merken wir, dass sie gar nicht so richtig verstehen, dass sie auch beim Thema Geschlechtergerechtigkeit einen Hebel haben, dass sie einen Unterschied machen können, dass wenn es um Budgetkürzung geht, sie eben auch sagen nein, das ist eine Priorität. Und viele Männer verstehen noch nicht, dass sie auch bei diesem Thema wirklich was bewegen können. Das muss ich Ihnen allen nicht sagen. Wir haben eine megabreite Forschungsbasis, die uns sagt, eine geschlechtergerechte Gesellschaft, geschlechtergerechtes Leben, ein Miteinander auf Augenhöhe in den Teams macht die Teams besser, macht Beziehungen besser, und lässt tatsächlich auch Leute gesünder leben. Da kann man wirklich toll in Forschung eintauchen, die sagt: Wenn Leute in Beziehungen leben, die von Respekt durchzogen sind, wo wir uns wirklich auf Augenhöhe begegnen, wo auch Männer nicht in dieser starren Rolle sind, dann leben sie gesünder. Das sagen uns WHO-Daten, die ernähren sich gesünder und es gibt diese interessante Untersuchung aus 23 europäischen Ländern, wo man nachgeschaut hat, wie schlafen denn die Männer dann in diesen Beziehung auch und sie schlafen tatsächlich besser. Also, wir haben ganz viele Indikatoren, die sagen: ein gesünderes Leben, stabilere Beziehungen und bessere Teams, prosperierende Unternehmen bewegen den Hebel der Geschlechtergerechtigkeit. Und ganz viele Männer haben das aus unserer Beobachtung noch nicht so richtig auf der Kette oder verstehen den Zusammenhang nicht. Jetzt könnte man fragen, und das sind so drei Fragen, die habe ich euch mitgebracht, wo sind denn die Männer? Auch hier, ich habe nicht sonderlich viele gesehen, die sich irgendwie für das Thema interessieren. Was ist das Zwei-Welten-Modell und wie können Männer effektive Verbündete sein? Das ist jetzt ein Einblick darin, was wir auch in den letzten Jahren mit Hunderten von Männern in Workshops, in Trainings beobachtet haben. Und ich stelle Ihnen jetzt vier Ausredenkomplexe vor und der erste ist ehrlicherweise ziemlich hart. “Frauen verdienen keine Gleichberechtigung.” Das sagen auch uns hinter verschlossenen Türen die wenigsten Männer. Aber sie sagen es manchmal durch die Blume. “Für eine Frau machst du einen ganz guten Job. Frauen gehören in die Küche.” Oder: “Frauen sind keine geborenen Führungskräfte, sie sind so emotional.” Obwohl uns auch neueste Harvard-Erkenntnisse was ganz anderes sagen. In Entscheidungspositionen sind Frauen viel weniger emotional. Sie treffen die besseren Entscheidungen. Aber was steht dahinter? Im Kern geht es darum und das kann man wissenschaftlich ganz gut untersuchen, dass ein Drittel der deutschen Männer in der Tendenz diese Haltung hat. Anti-Feministisch könnte man sie auch ja nennen und das Krasse ist, dass dieser Wert relativ stabil ist, auch bei den unter 35-Jährigen, und da steigt er sogar wieder leicht. Also ein Drittel der deutschen Männer will eigentlich gar nicht diese Augenhöhe. Das ist ehrlicherweise ziemlich deprimierend. Aber gleichzeitig lässt es uns ja übrig: zwei Drittel der Männer, die Verbündete sein können, die das irgendwie anders wollen, die ganz genau wissen und spüren, das ist echt nicht okay. Aber auch die zwei Drittel, und ich würde mich dazu zählen, haben irgendwie Probleme an das Thema ranzukommen. Und da beobachten wir drei Dinge. Und dazu gibt es ganze Bücher von Alexandra Zykunov, d. Red. und weiteren, Frauen sind doch schon gleichberechtigt. Und dann hört man solche Sätze: “Ja, bei der Auswahl geht es um Kompetenz, nicht um Geschlecht. Es ist nicht meine Schuld, wenn Frauen Karriere in Sektoren machen, die schlecht bezahlen” und so weiter. Und all das deutet darauf hin, dass nicht erkannt wird, es gibt noch was zu tun. Wir sind noch nicht am Ende. Das Zweite, was wir von Männern hören: “Das ist ein reines Frauenthema.” Das wird sozusagen delegiert. Wir haben doch die Gleichstellungsbeauftragte. Susanne aus der Personalabteilung macht so einen tollen Job, sie soll sich mal drum kümmern. Immer müssen es andere lesen, immer müssen es andere auf die Agenda bringen und es wird sozusagen an die delegiert, die den ganzen Tag schon damit konfrontiert sind. Die Gleichstellungsbeauftragten, die Frauen, die in den Meetings unterbrochen werden und so weiter. Aber viele Männer bringt das eine Position, wo sie gar nicht begreifen, hey das hat auch was mit mir zu tun und ich kann Teil der Lösung sein. Und der dritte Ausredenkomplex: “Wir haben doch wirklich wichtigere Probleme, das Budget sitzt knapp, wir verkaufen weniger Autos nach China und jetzt kommt ihr mit Geschlechtergerechtigkeit?” Also die Dinge werden gegeneinander ausgespielt, sie werden relativiert. Das werdet ihr kennen, also immer wenn es irgendwie heiß wird, fällt dieses Thema leicht vom Tisch und es wird nicht verstanden, dass das halt ein zentraler Hebel für die Zukunft ist. Und genau das ist Teil der Lösung und nicht eine Sache, die man mit dem Rotstift wegkürzen sollte. Also, was beobachten wir in der Arbeit mit Männern? Verneinen, delegieren, relativieren. Und von all dem umrahmt ist Verunsicherung und durchaus auch Ängste. Das sagt uns Mann auch nicht ins Gesicht. Boah, ich hab ehrlicherweise Angst oder das verunsichert mich. Die sagen das so um die Ecke. Was sagen denn dann meine Kollegen, wenn ich sechs Monate Elternzeit nehme? Kann ich meine Kollegen im Stich lassen bei diesem wichtigen Projekt? All das ist auch eine Verunsicherung. In unserer Arbeit beobachten wir, dass viele Männer diese Ausreden bringen und sich gleichzeitig schwer tun, zu verstehen, warum sich der Alltag manchmal für uns sehr unterschiedlich anfühlt. Und das muss ich euch nicht erzählen, weil ihr es viel besser wisst und ich vielleicht als Mann die Schwierigkeit habe, mir manche Situationen nur abstrakt vorstellen zu können. Wenn es 17 Uhr ist, jetzt geht die Sonne eher unter, ist es mir in der Tendenz egal, wenn beim Geschäftstermin der Parkplatz schlecht beleuchtet ist. Meiner Schwester ist das nicht so egal, die achtet sehr darauf, wo parke ich mein Auto. Keine Ahnung, habe ich noch nicht so viel drüber nachgedacht. Aber da sind wir schon bei dem, was wir immer gerne das Zwei-Welten-Modell nennen. Oder stellt euch einen Meetingraum vor. Wir erleben vielleicht durchaus sehr unterschiedliche Dinge in diesem Meetingraum. Und in unserer Arbeit mit männlichen Führungskräften sorgt es für Aha-Momente, wenn man ihnen sagt, dass wir in der Wissenschaft ganz gut beobachten können, dass wir Männer dazu neigen, mehr Redezeit einzunehmen, Frauen doppelt so häufig unterbrechen wie andere Männer, wir eher an Frauen denken, wenn es ums Protokoll geht. Wer organisiert die Weihnachtsfeier? Wer fragt bei der Kollegin nach, die sich das Bein gebrochen hat, ob es ihr eine Woche später immer noch gut geht? Ganz oft sind das Frauen. Man ist auch schneller beim Vornamen und nicht bei Frau Dr. Meier statt bei Susanne. Und all das macht einen Unterschied und all das passiert in Meetings. Und vielen Männern ist aus unserer Perspektive oder aus unserer Beobachtung all das gar nicht bewusst, was das für ein Unterschied macht. Die zweite Situation: der Geschirrspüler. Der steht vielleicht sinnbildlich dafür eben, die Sorgearbeitslücke. Auch da sind vielen von euch, glaube ich, die Zahlen bewusst und bekannt. Wie viele Minuten das täglich sind, was das alles bedeutet. Und was ich interessant finde, ist ja, dass es nicht nur den Bereich Zuhause gibt, sondern auch die Office-Carework. Also, wer macht das Licht aus? Wer macht dieses emotionale Handling? Und auch da ist das Pendel super ungleich. Und vielleicht das ganze Thema Sicherheit öffentlicher Raum, Betriebsfeier, Geschäftstermin nach 17 Uhr im Winter. All diese Nuancen, die trotzdem prägen, wie selbstbewusst wir durch eine Situation gehen, wie sehr gerne wir Abendtermine annehmen oder nicht, eben auch große Unterschiede. Und wir mögen immer sehr gerne mit dieser Grafik hier arbeiten, ihr kennt vielleicht diese oder so ähnliche, dass wir vielleicht eine ähnliche Lebensstrecke oder eine ähnlich Karrierestrecke haben, aber eben mit super unterschiedlichen Dingen konfrontiert sind und sie sind eben manchmal wie Hürden. Und für viele Männer überhaupt so eine Grafik zu sehen, ist ziemlich erhellend. Ach krass, da sind Barrieren. Ach krass, manchmal sind die offensichtlich, ganz oft sind die aber eher subtil. Die kommen um die Ecke. Die spreche ich auch nicht immer an. Die tun vielleicht auch weh. Und was macht ein männlicher Verbündeter? Im Idealfall versteht er, aha, ich mach mir weniger Gedanken darüber, ob ich abends flache Schuhe anhabe oder Sportschuhe. Weil ich mach mir keine Gedanken darüber, ob ich wegrennen muss. Also irgendwie solche Dinge fallen unter Privileg. Ja, und “male ally”, männlicher Verbündeter, versteht im Idealfall, oh, ich helfe mal lieber mit, diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Und jetzt muss ich mich selber korrigieren: Es geht nicht um mithelfen. Es geht um wirklich mit Verantwortung zu übernehmen. Auch mit verstehen: Wir tun das bitte nicht nur auf nette Nachfrage. Wir helfen mal. Sondern wir verstehen, dass wir wirklich gleichberechtigt mit anpacken, dass es besser wird. Und wie kann das gehen? Man kann ganz viel machen, diese ganze Halle ist voller Menschen, die sehr gute Rezepte dafür haben. Ich habe euch mal fünf Dinge mitgebracht, die wir merken, die in unserer Arbeit mit Männern sich als immer sehr effektiv herausstellen. Und das erste ist Zuhören. Das klingt total banal, aber wenn Sie vielleicht mal in Ihren Alltag gehen, kann man ja immer zu danach denken: Wann hatte ich denn das Gefühl, dass mir wirklich mal zugehört wurde? Und dass mein Punkt wirklich ernst genommen wurde und dass mir geglaubt wurde? Und das kriegen Sie ja in Interview-Reihen mit Frauen, also da ist die Forschung ja sehr weit, sowas auch ganz gut nachzuweisen, dass es eben leider oft daran mangelt, dass wir einander manchmal nicht gut genug zuhören. Oder Männer in dem Fall Frauen gut genug zuhören. Der zweite Punkt: Männer an Bord Holen und Brücken Bauen. Wenn wir zum Beispiel bei der deutschen Marine sind, Grüße an die Leute von der Bundeswehr, gibt es da Räume und Gruppen, die sind rein männlich, gibt es nicht eine Frau, die in einem Moment sagen kann, das war nicht okay, das machen wir so nicht, das gehört nicht zu unserem Wertekodex. Also braucht es andere Männer, die in der Arbeit mit Männern sagen, das geht so nicht. Das machen wir hier so nicht! Lass die andere Person ausreden! Also ich meine, es sind ja manchmal auch solche Feinheiten. Ein männlicher Verbünde hat vielleicht auch eine wichtige Rolle im Brückenbauen zu anderen Männern. Gerade in Räumen, wo sie unter sich sind. Platz machen, also ich bin hier auch gleich zu Ende. Raum geben, weniger unterbrechen. Drauf achten, wie viel Redezeit man einnimmt. Ob man die andere Person schon auf der zweiten Folie unterbricht oder ob man sie mal das ganze Argument darlegen lässt. Also wirklich auch drauf achten wie viel Aufmerksamkeit Leute bekommen. Ein Journalistenkollege von der “Süddeutschen Zeitung” hat mal eine Situation in der Redaktionssitzung geschildert, wo es darum ging, dass eine Journalisten-Kollegin einen richtig guten Vorschlag gemacht hat und dann in der Runde ein Mann einfach mit ein bisschen selbstbewussteren Auftreten die Idee gekapert hat und sie als besonders toll vorgestellt hat. Der Chefredakteur hat eher auf den Mann reagiert und ein anderer Mann in der Runde hat gesagt, aber von Ute kam noch dieser Vorschlag. Ute, was denkst du denn dazu? Und sofort wurde die Situation gedreht und das ist auch darum, wie viel Aufmerksamkeit bekommen welche Leute an einem Tisch, und begreifen wir als Männer auch, dass wir da eine Rolle haben, sowas aufzubrechen und vielleicht die letzten beiden: Sorgearbeit fair teilen, nicht helfen, sondern fair teilen. 50:50. Männer sollten auch mal Bücher darüber lesen. Es gibt brillante Autorinnen in diesem Land, die wahnsinnig tolle Bücher darüber geschrieben haben. Und redet man mit den Verlagen, liest die Mehrzahl diese Leute: Frauen. Frauen lesen diese Bücher. Mehr Männer sollten diese Büchern lesen. Franziska Schutzbach, Alexandra Zykunov, all diese tollen, smarten Köpfe. Diese Bücher sind auch für Männer geschrieben. Und, oh, das letzte: eigene Privilegien für Veränderung nutzen. Da sind wir wieder bei dem Hebel und dem Mann vom Anfang. Und vielleicht noch was, was Vincent Herr und mich immer nervt, ist diese Untersuchung. Man kann auch ganz gut messen, dass wir Männer dazu neigen, anderen Männern besser zuzuhören, auch beim Thema Sexismus. Das ist total Banane. Das ist total frustrierend. Und gleichzeitig merken wir das in der Arbeit immer, wenn man auf der Schwäbischen Alb ist, du sitzt da mit einer Gruppe von so einem Familienunternehmen, dann hören die mir irgendwie manchmal besser zu als ihrer Gleichstellungsbeauftragten, obwohl sie die Kompetenz hat. Und gleichzeitig ist das vielleicht eine Brücke. Wo wir – und Jutta Almendinger sagt immer so schön: Es geht nur gemeinsam – vielleicht gemeinsam hier und da Allianzen schließen und wir Männer und Frauen zusammenarbeiten, um manchmal an die harten Kerle zu kommen, diese Tür auch wieder aufzumachen und es zum gemeinsamen Gespräch zu machen. Aber diese Untersuchung ist tatsächlich interessant, erhellend und frustrierend. Ja, das vielleicht nochmal zusammengefasst. So ein paar Werkzeuge, es gibt viel mehr. Jetzt bin ich auch am Ende. Herzlichen Dank fürs Zuhören. Wenn ihr Ideen und Fragen habt, sehr gerne.
[00:18:37] Zuhörerin 1: Ich habe eine Frage und zwar, wie bist du zu dem Thema gekommen? Also du hast ein paar Gründe genannt, warum wir das brauchen, aber was hat dich persönlich überzeugt und welches Argument könnte ich Männern in meiner Firma bringen, um sie mit an Bord zu holen?
[00:18:51] Martin Speer: Also was wir in der Arbeit mit Männern immer merken, dass manchmal der persönliche Bezug zum Problem fehlt. Also auch die lesen Tagesschau-Artikel oder Spiegel-Artikel, aber denken immer, oh, diese Statistik ist ja interessant, aber es betrifft mich nicht. Und wenn sie merken, das ist die Kollegin, die du schätzt, das war oder ist die Realität deiner Mutter, mit der du vielleicht zu wenig darüber gesprochen hast, das ist in Zweifel deine Tochter, haha, das ist ja oft so ein Aha-Moment für die Leute, dann dreht sich was. Und auch zu merken, das kommt in allen sozialen Schichten vor. Das kommt bei dir im gepflegten Kleingarten vor deiner Tür vor, keine Ahnung. Und wie war das bei mir selber? Ich bin in Mittelfranken aufgewachsen, hatte ehrlicherweise einen ziemlich, rückblickend würde ich sagen, sexistischen Vater. Hab viele dieser Muster kopiert. Ich war im Schützenverein, ich war lange CSU-Mitglied. Ich hab ziemlich viele Sprüche auch geklopft. Und es brauchte tatsächlich andere Männer in meinem Umfeld, die mir eigentlich Grenzen aufgezeigt haben. Und Vincent Herr, mit dem ich zusammenarbeite, war einer. Und mein bester Kumpel, der drei Schwestern hat. Und eigentlich haben mich andere Männer erst mal herausgefordert, so, ey Martin, das geht nicht. Oder, warum reagierst du gerade so? Woher kommt denn das? Überhaupt die Frage, warum? Was liegt denn dahinter? Und das ist vielleicht diese brückenbauende Funktion zwischen Männern, dass wir auch untereinander das mal stärker zum Thema machen müssen. Wir halten uns da mal raus, wir glauben anderen, es gibt, also weiß ich nicht, “AllBright”, “Fida”, all die anderen, die machen das doch schon. Und wir verstehen gar nicht, dass wir Teil dieses Weges sein können und sein müssen.
[00:20:25] Zuhörerin 2: Aus deiner Erfahrung, Martin, sind sich Männer bewusst, dass sie dieses Patriarchat, also diese patriarchalischen Strukturen, in die sie hineingeboren wurden, also diese sich jetzt nicht selber verdient haben, dass das ein Privileg ist?
[00:20:46] Martin Speer: Nicht so richtig. Also irgendwie in immer mehr Unternehmen kommt ja an, dass man überhaupt über Privileg mal spricht, dieses Konzept kennenlernt oder auch selber das erspürt. Also das kennt ihr ja sicherlich auch. Es gibt ja, man kann ja so tolle Privilegenchecks machen mit Schritt nach vorne und so und dann zieht sich ja so ein Feld auseinander und dann merken sie, sie drehen sich um, meine Kollegin steht jetzt da hinten und auf einmal wird Privileg ja spürbar. Und ich glaube, das sind manchmal so Aha-Momente, weil – und das ist vielleicht der interessante andere Punkt – wir stellen fest, dass viele Männer ein intellektuelles Verständnis davon haben. Wir schreiben das auf unserer Website, das macht man jetzt so, wir haben KPIs, es gibt eine Reportingpflicht, keine Ahnung. Aber sie verstehen es emotional nicht. Und im Zweifel, wenn es hart auf hart kommt, ist halt der emotionale Bezug megawichtig. Weil, wenn ich sage, wir brauchen weiterhin Budget dafür, bin ich im Idealfall intrinsisch motiviert, dafür zu kämpfen. Weil intellektuell ist das manchmal so: Andere Sachen sind wichtiger. Und schwupp ist das weg. Und ich glaube, so, das persönlich versuchen zu erfahren, diese sicheren Räume auch mit Frauen zu haben, mit Kolleginnen ins Gespräch darüber zu kommen, das macht schon einen echten Unterschied.
[00:22:03] Zuhörerin 3: Ich hätte da eine Frage bezüglich der Grafik, die du da gezeigt hattest, sprich: Ein Drittel der Männer, die aufgrund ihrer sexistischen Ansichten der Meinung sind, dass Frauen nichts in Führungsrollen oder nur was in der Küche zu suchen hätten. Ist dann auch untersucht, wie hoch der Anteil der Frauen in Deutschland ist, die die gleiche Ansicht eventuell haben? Denn ich sag jetzt nur Stichwort TikTok, YouTube, Tradwife-Trend und ich finde das gerade für junge Frauen besorgniserregend, mit sowas dann konfrontiert zu sein und das eventuell dann ins eigene Mindset irgendwie mitzunehmen. Also die Frage ist, ist das für Frauen auch untersucht?
[00:22:41] Martin Speer: Also da haben wir vielleicht bessere Expertise im Raum, weil ich schaue immer sehr aus einer Männerperspektive rauf und beobachte mit, was unter Männern geschieht. Also die Leipziger Autoritarismus-Studie ist zum Beispiel ein ganz interessanter Anknüpfungspunkt, wo Frauen wie Männer auch zu diesen Themen befragt worden sind. Ich habe die Daten nämlich nicht im Kopf, müsste man einfach mal nachschauen. Gibt ja auch noch andere Untersuchungen. Aber ich finde es interessant, was du gesagt hast, mit dem, genau, was kann man auf Social Media beobachten und was da gerade auch geschieht. Also ich finde das mega beunruhigend und spannend, was in der U35-Generation geschieht, und man hat irgendwie diese Gleichzeitigkeit von Leuten, die wollen schnell nach vorne, die sind progressiv, die lassen sich bestimmte Dinge nicht mehr gefallen, und gleichzeitig diese Retraditionalisierung, die sich auch ganz gut messen lässt. Aber vielleicht gibt es hier jemanden, der hat direkt Daten.
[00:23:37] Zuhörerin 4: Ich habe mal in einer Studie gelesen, dass es den Männern erst auffällt, wie privilegiert sie sind und welche Nachteile auch viele Frauen in der Arbeitswelt in Kauf nehmen müssen, wenn ihre eigenen Töchter davon betroffen sind. Das heißt, bei der Ehefrau ist es egal, weil sie verdienen eh das Geld und bringen das ins Haus, aber wenn dann die Tochter eine schlechtere Karriere macht bei gleich guter Bildung wie der Sohn beispielsweise, dann fällt es auf. Und dann wird es auch zum Problem. Und ich finde, genau der Punkt gibt auch viel Hoffnung. Das heißt vielleicht auch, die 35-Jährigen, wenn ihre Kinder dann in die Situation kommen, entwickeln ein besseres Verständnis dafür, was das Ganze bedeutet.
[00:24:15] Martin Speer: Einerseits macht das Hoffnung, andererseits finde ich es mega frustrierend, also warum brauchst du das Problem in deinem Haus, statt dass du schon verstehst, also was ist mit der Frau? Also hat, genau, gab es da nie ein tiefes Gespräch? Und gleichzeitig, stimmt, das sind so Veränderungspunkte, aber interessant finde ich auch und ich denke an großen Automobilkonzerne, wir arbeiten da mit den Männern, ein Mann schildert es, wie sehr sich sein Blick verändert hat durch seine Tochter, ein anderer Mann in der Runde challenged das. Und der Vater knickt ein. Also bedeutet das dann wirklich, ich ziehe dann auch die Konsequenz und ich gehe manchmal auch in eine unkomfortable Konfrontation mit einem anderen Mann, mit einem Kollegen oder nicht? Es gibt manchmal so formale Bekenntnisse, aber hinterlege ich das dann auch mit einer Konfrontration. Guter Punkt. Danke, danke an die Technik, danke euch und viel Spaß noch.
[00:25:23] Kristina Appel: Danke, dass du dabei warst. Wenn dir die Folge gefallen hat, schenk uns ein Like und empfehle uns weiter. Oder noch besser, abonniere gleich den Podcast. Und wenn du mehr über HerCareer erfahren möchtest, besuche uns im Web unter her-career.com und abonnier den Newsletter unter her-career.com/newsletter. So bleibst du informiert über neue Beiträge der HerCareer Academy, aktuelle Podcast-Episoden und Programm-Highlights der kommenden HerCareer Expo in München. Wir freuen uns sehr, wenn du Teil unseres Netzwerks wirst.