Sobald eine Frau Mutter wird, verändern sich alle Bedingungen für ihre Berufstätigkeit. Stefanie Hornung moderiert das Live-Gespräch mit Autorin und Journalistin Anne Theiss über tief verwurzelte gesellschaftliche Normen, politische Strukturen und mangelnde Solidarität unter Frauen, die dazu führen, dass Mütter nicht ihr volles berufliches Potenzial entfalten können. Ihr Appell ist: „Wir müssen Mutterschaft freier, liberaler, moderner, attraktiver machen.“

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Thema

Vereinbarkeit | Gesellschaft

Angaben zur Referentin

Anne Theiss, geboren 1984 in Aalen, auch bekannt als „Schwäbisch-Sibirien“, studierte Politische Wissenschaft mit den Nebenfächern VWL und Germanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Ab 2011 absolvierte sie die Burda Journalistenschule und arbeitete unter anderem für BUNTE.de und FOCUS. Sie war lange persönliche Referentin von Hubert Burda.

2015 kam ihre Tochter mit dem seltenen Phelan-McDermid-Syndrom zur Welt. 2022 folgte ein Sohn. Im September 2023 erschien ihr Buch „Die Abwertung der Mütter – wie überholte Familienpolitik uns den Wohlstand kostet“ bei Droemer Knaur. Im März 2025 erschien die Anthologie „Rethinking Motherhood“.

Angaben zur Moderatorin

Als Journalistin und Autorin beschäftigt sich Stefanie Hornung seit mehr als fünfzehn Jahren mit Fragen der Arbeitswelt und der Chancengleichheit. Sie schreibt regelmäßig zu Personal- und Management-Themen im Personalmagazin und im Magazin neues lernen.

Seit 2017 untersucht sie, wie Unternehmen Entlohnung fairer gestalten können, und veröffentlichte dazu in einem Autorenkollektiv die Bücher „New Pay“ (2019) und „New Pay Journey“ (2023). Sie treibt das Thema auch als Mitgründerin des „New Pay Collective“ voran, einem Netzwerk, das Organisationen bei der Neugestaltung ihrer Vergütungssysteme begleitet und Forschung zu Vergütungsprozessen anstößt. Außerdem ist sie Referentin des New Pay Campus zu den Schwerpunkten Leistung und Kommunikation. Aus ihrer Feder stammt der Newsletter „Gehaltvolle Zeilen“, der regelmäßig über neue Formen der Entlohnung und gesellschaftliche Entwicklungen rund um das Thema Geld und Gehalt berichtet.

In Freiburg i. Br. studierte Stefanie Hornung Germanistik, Romanistik (Spanisch) und Geschichte. Sie war viele Jahre Pressesprecherin der größten deutschen Personalfachmesse, der Zukunft Personal (heute: Zukunft Personal Europe), und Chefredakteurin des Online-Portals HRM.de. Heute lebe und arbeitet sie in Tübingen.

Der Beitrag wurde im Rahmen der herCAREER Expo 2024 aufgezeichnet und als Podcast aufbereitet.

[00:00:00] Anne Theiss: Interessant ist auch, dass wir 150 familienpolitische Maßnahmen in diesem Land haben. Aber wir schaffen es nicht, dass diese Maßnahmen ankommen und ganz wenige der Maßnahmen sind auf Gleichberechtigung aus. In Island zum Beispiel bekommt man nur die höchsten Bezüge, wenn beide in Elternzeit gehen. Führt dazu, dass 96 Prozent der Väter Elternzeit nehmen. Es wäre so einfach, das auch anzupassen, aber wir machen es nicht.

[00:00:39] Kristina Appel: Willkommen beim HerCareer Podcast. Du interessierst dich für aktuelle Diskurse aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, und das insbesondere aus einer weiblichen Perspektive? Vielleicht wünschst du dir persönliche Einblicke in den Arbeitsalltag von Menschen und Unternehmen, die sich dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel stellen? Dann bist du hier genau richtig. Deutschland ist strukturkonservativ, sagt die Journalistin Anne Theiss. Das heißt, der demografische Wandel wird oft ignoriert. Und diese unzuverlässige Infrastruktur, das weiß sie aus eigener Erfahrung, verheizt Mütter. In einer Wirtschaft wie der Deutschen, die auf Patente, Talente, Erfindungen und Menschen setzt, sind auch Mütter wichtige Ressourcen. Im Live-Gespräch mit Stefanie Hornung erklärt die Autorin: Es mag provokativ wirken, Mutterschaft in den wirtschaftlichen Kontext zu setzen. Aber nur so bekommen Mütterm auch eine starke Lobby.

[00:01:40] Stefanie Hornung: Hallo zusammen! Schön, dass ihr da seid. Dass die Wirtschaft nicht auf das Potential von Mütter verzichten kann, ich denke, da sind sich hier manche einig. Wenn wir woanders schauen, sieht es aber vielleicht anders aus. Und ist es denn auch so, dass wir genug tun, damit Frauen und vor allem Mütter ihr Potential freisetzen können, als Gesellschaft, als Unternehmen? Als Frauen in Entscheiderpositionen oder als Mitglieder von Netzwerken. Viele Frauen, die Mütter werden, stellen eher fest, na ja, mit der Chancengleichheit, das habe ich mir irgendwie anders vorgestellt und verlässliche Bedingungen für meine Berufstätigkeit finde ich auch nicht vor. Was sind eigentlich die Gründe dafür? Woran liegt das? Darum geht das in diesem Buch, „Die Abwertung der Mütter“. Und ich habe jetzt das Vergnügen, mit der Autorin mich zu unterhalten. Sie selbst ist Mutter von zwei Kindern. Eines hat eine Behinderung. Sie ist Journalistin, hat die Burda-Journalisten-Schule besucht, arbeitet unter anderem für bunte.de und für „Focus“ und war persönliche Referentin von Hubert Burda. Und sie sagt, sie kommt aus einem traditionellen Umfeld. Herzlich willkommen, Anne Theiss. Mein Name ist Stefanie Hornung, ich bin freie Journalistin und „New Pay“-Initiatorin und ich hoffe, dass wir den einen oder anderen Punkt, wenn es so um die Gründe oder die Wege aus dem Dilemma geht, auch mal kritisch beleuchten, weil das Buch ist ein Debattenbeitrag und es geht ja schon los mit dem Titel, „Die Abwertung der Mütter“. Es heißt nicht so die Geringschätzung der Müter, sondern die Abwertung. Das ist ja schon fast eine Provokation. Inwiefern, Anne, werden Mütter abgewertet?

[00:03:39] Anne Theiss: Ja, ich habe ja tatsächlich bei dem Titel und beim Verlag, wir zusammen haben uns überlegt, es schadet mal nicht in Deutschland so einen zapfigen Titel zu nehmen und auch provokativen bei dem Thema Mütter, weil es ist ja erstaunlich, dass wir in Deutschland, also die Deutschen an sich sind ja eher so als Pessimisten bekannt, aber beim Thema Mutterschaft, da streichen wir dann so rosarote Farbe drüber. Meine These ist, dass wir es immer noch nicht schaffen, Mütter in ihrer Wahlfreiheit zu bestärken und gerade Mütter, die wir eigentlich brauchen, berufstätige Mütter, die auch bereit sind, frühzeitig nach der Geburt wieder zu arbeiten oder in Vollzeit aufzuwerten. Wir erleben hier, ich denke auch, wahrscheinlich viele Frauen im Publikum, ich selbst hab’s auch erlebt. Als ich frühzeitig wieder angefangen habe zu arbeiten, dass ich durchaus relativ brutale Kommentare gehört habe, das ist eben kurios, wie ich auch in dem Buch schreibe, ist es kurios, dass wir etwas abwerten, was wir eigentlich dringend brauchen in Zeiten von Arbeitskräftemangel und demografischem Wandel.

[00:04:35] Stefanie Hornung: Brutale Worte hast du da gehört? Welches Mütterbild steckt da vielleicht dahinter?

[00:04:40] Anne Theiss: Ach, da habe ich viele, in Anführungszeichen, „schöne“ Sachen gehört, wie ein Kind in die Kita zu schicken sei Kinderarbeit, sei natürlich schlecht für die Entwicklung und etc. pp. Und da hat mich tatsächlich, ja, auch in den letzten Jahren, als ich mit dem Buch unterwegs war, auch noch mal erstaunt, wie doch noch tief die Prägungen sitzen. Und wir haben in Deutschland einfach ein Mütterbild, das stark darauf fokussiert ist, in Normen zu sein, Teil der Masse zu sein und Teil der Massen, dass es wirklich immer noch akzeptiert wird, ist, hauptsächlich bei den Kindern zu sein, in Teilzeit zu arbeiten. Wir haben eine der höchsten Teilzeitquoten von Müttern oder von Frauen hier in Deutschland. Und ja, dabei brauchen wir was anderes. Und ich zitiere immer gerne Belén Garijo, die CEO von Merck, die überall auf der Welt unterwegs war, und sie kam nach Deutschland und sagte in einer ihm ersten Interview, sie habe noch nie einen so hohen sozialen Druck auf Frauen, aber insbesondere eben Mütter, gespürt. Und da müssen wir natürlich in diesem Land schon nachdenken und reflektieren. In einem Land, in dem wir nicht viele Ressourcen haben, sondern eigentlich vor allem das schöne Wort Human Resources.

[00:05:51] Stefanie Hornung: Wo kommt das denn her, dass wir in Deutschland so ein Mutterbild haben? Und naja, ich hab gedacht, wir wären vielleicht schon ein bisschen weiter. Hat sich da nichts getan in den letzten Jahren, Jahrzehnten?

[00:06:04] Anne Theiss: Ja, leider muss man sagen, nicht so viel, zu wenig. Ich habe letztendlich bei einem Vortrag an der Politischen Akademie in Turzing und da meinte die Referentin Giulia Mennillo, dass wir in einem offenbar sehr starken, strukturkonservativen Land wohnen. Also wir haben es nicht geschafft, über die letzten Jahrzehnte ein Frauenbild mit aufzubauen und mit zu prägen, das ist ja einmal politisch, aber eben auch gesellschaftlich, zu Prägen, in dem es normal ist, dass wenn man auch Kinder hat, arbeitet. In dem es normal ist, das man auf gleicher Ebene wie der Mann steht. Und interessant ist auch, dass wir zum Beispiel 150 familienpolitische Maßnahmen in diesem Land haben. Da sind wir einmal im oberen Segment im europäischen Vergleich. Also wirklich top. Aber wir schaffen es nicht, dass diese Maßnahmen ankommen und ganz wenige der Maßnahmen sind auf Gleichberechtigung aus. Und wir sehen es ja dann an so Maßnahmen wie Elterngeld, Elternzeit. In Island zum Beispiel bekommt man nur die die höchsten Bezüge, wenn beide, Vater und Mutter, in Elternzeit gehen. Führt dazu, dass 96 Prozent der Väter Elternzeit nehmen. Also es wäre so einfach, das auch anzupassen und diese familienpolitischen Maßnahmen auf die Gleichberechnung auszulegen, aber wir machen es nicht und das muss wohl auch damit einhergehen, dass wir offenbar sehr strukturkonservativ denken, dass an den Schaltstellen, dass wir aber auch als Gesellschaft offenbar noch sehr konservativ sind, weil die Politik, die Entscheiderinnen werden eben auch von uns gewählt. Dann sehen wir natürlich den demografischen Wandel. Gerade in Westdeutschland wurde das Ernährermodell in der Mehrheit gelebt. Ich erlebe auch auf meinen Lesungen da auch noch die ein oder andere Kränkung, gerade von älteren Frauen, die dann im Ernährermodell gelebt haben, erlebe ich auch den ein oder anderen Angriff, also da spürt man, dass wir da durchaus eine Herausforderung vor uns haben, die wir aber angehen müssen, weil wir nämlich eben etwas anderes brauchen.

[00:08:04] Stefanie Hornung: Also das heißt, wir bewegen uns hier schon ein Stück weit in einer Blase. Du hast jetzt gesagt, die älteren Frauen fühlen sich dann vor allem angegriffen. Ist es eine Generationenfrage? Gibt es vielleicht auch einen Unterschied zwischen Stadt und Stadt?

[00:08:19] Anne Theiss: Was das Mütterbild betrifft, ja, ich glaube tatsächlich, dass es ein größerer Generationenkonflikt ist, größer als wir eigentlich meinen. Ich glaube auch, dass das speziell ein Generationenkonflikt unter Frauen ist, weil wir jetzt gerade eigentlich extrem darauf angewiesen wären, dass wir solidarisch ein Land sind und dass wir zum Beispiel, wenn wir früher ein anderes Modell gelebt haben, jetzt umdenken und die jüngeren Frauen mit minderjährigen Kindern unterstützen, solidarisch sind, gerade auch wenn Kitaplatzmangel etc., dass wir in der Gesellschaft mehr zusammen wachsen, und da gibt es noch Kapazität, da gibt’s noch Luft nach oben. Die größte Herausforderung ist, dass wir eigentlich im Endeffekt in das Umdenken kommen und in das Reflektieren. Was brauchen wir heute, was haben wir früher gelebt, und einen tragischen Fall finde ich ja auch immer, dass sozusagen wir den Kitaplatzmangel in den Osten Deutschlands exportiert haben. Dass 2017 es in Leipzig Kitaplatzmangel gab, wo wirklich die Gleichberechtigung etwas war in den neuen Bundesländern, die wirklich gut war, die wir eigentlich hätten mal andersrum exportieren können. Da gibt es eben noch viel zu tun und ja, ich glaube, das ist ein Generationenkonflikt und das ist ein Mangel an Reflektion, der da dahinter steckt.

[00:09:31] Stefanie Hornung: Auf die möglichen Lösungswege schauen wir nachher nochmal. Lass uns doch ein bisschen mehr über dich erfahren und über deine persönliche Geschichte. Du sagst ja auch, wenn Mütter nicht diesem traditionellen Mütternbild entsprechen, dann werden sie noch stärker abgewertet. Was hast du denn auch in deiner Familie, bei deiner Schwester, was hast du da erlebt?

[00:09:52] Anne Theiss: Ja, ich hab tatsächlich noch zwei Schwestern und wir leben alle Modelle, die außerhalb der Norm sind. Und meine Schwester hat mit 19 ein Kind bekommen. In den Verhältnissen, in denen ich groß geworden bin, konservativ, schwäbische Mittelstadt, da war das dann schon noch ein Skandal. Kann man sich nicht vorstellen, aber es war noch ein Skandal. Und ich hab das als 12-Jährige erlebt und hab damals schon mir so gedacht so, hä, sie hat ja keine Drogen genommen. Also sie kriegt ein Kind. Und hab das irgendwie in meinem kindlichen Gehirn nicht so ganz verarbeitet und dann hat es aber dann schon so angefangen, dass ich gemerkt habe, da stimmt was nicht. Ich selbst würde dann eben mit Anfang 30 Mutter und relativ schnell hat sich herausgestellt, dass mein Kind eine Behinderung hat. Da bin ich also auch zu einer Mutter außerhalb der Norm geworden. Und meine mittlere Schwester hat eben keine Kinder, bewusst, und lebt gern als Kinderlose. Und von dem her haben wir ein gemeinsames Thema, das ist nämlich das wir durchaus merken, dass man relativ schnell diskriminiert wird, wenn man nicht zur Norm gehört. Und auch das macht wiederum keinen Sinn. Und ich bin da eben auch eine große Fürsprecherin aus eigenem Bedürfnis, aber auch, weil ich habe jetzt meine Tochter, da kann ich es relativ gut noch mit einer Berufstätigkeit verbinden, aber es gibt halt eben auch viele pflegende Mütter, die das nicht so einfach können und an die man gar nicht mehr denkt und die einfach sofort abgeschrieben sind, obwohl sie gut ausgebildet sind, obwohl sie gerne arbeiten möchten. Die Gesellschaft, der Staat sagt ja sozusagen, selbst schuld, du pflegst jetzt und bleibst zuhause, und die ganzen Maßnahmen, die wir zwar schon auch haben, sind gut in Teilen finanziell, muss man auch wirklich sagen. Wir haben ja in gewisser Weise eine bezahlte Care-Arbeit, wenn es um pflegende Elternschaft geht, aber trotzdem wird es der Frau eigentlich nicht leicht gemacht wieder zu arbeiten, wenn sie diese Extremsituation hat. Das ist sozusagen meine persönliche Geschichte und etwas ein Zufall, aber vielleicht hat es auch dazu geführt, dass ich so ein Buch schreibe mit so einem Titel, aber ich bin durchaus in Teilen da auch wütend gewesen und bin es auch teilweise immer noch, wie da mit Müttern umgegangen wird, aber ich versuche es immer in eine produktive Wut übergehen zu lassen und zu sagen, Leute wir müssen hier was ändern, das kann nicht mehr sein, dass wir Mütter, die nicht verheiratet sind oder Jungmutter werden. Irgendwie ausschließen oder auch kinderlose fragen warum sie keine Kinder haben. Das geht euch nichts an. Das ist privat. Wir müssen Mutterschaft freier, liberaler, moderner, attraktiver machen.

[00:12:10] Stefanie Hornung: Das Besondere an deinem Buch ist ja auch, dass es jetzt nicht nur deine persönliche Geschichte ist, sondern dass du den Mutterbegriff in einen wirtschaftlichen Kontext stellst. Also du erklärst, dass die Abwertung der Mütter uns auch den Wohlstand kosten kann wirklich. Also welchen Zusammenhang siehst du denn da konkret noch mal?

[00:12:34] Anne Theiss: Vielleicht auch so ein bisschen zum persönlichen Hintergrund. Ich bin in einer Unternehmerfamilie großgeworden, aber in einem Ernährermodell. Und das Kuriose daran ist ja auch, dass das eben eher die Masse ist. Und jetzt brauchen auf einmal die Unternehmerinnen und Unternehmer, jetzt halt die Unternehmer tatsächlich in dem Falle, eigentlich die berufstätigen Mütter und leben daheim aber noch ein anderes Modell. Das fand ich eben als Journalistin jetzt auch dieses Kurirose an der ganzen Geschichte. Wir brauchen als Wirtschaft die beruftstätigen Mütter und haben aber eine so starke gesellschaftliche Norm, wie Mütter zu sein haben, dass da was aufeinanderclasht, was am Schluss nicht gut ausgeht, wenn wir da eben jetzt nicht entgegensteuern. Und wir können, und das ist eben auch etwas, was ich anprangere und wo ich aber auch die große Lösung sehe, wir können mit so einer Infrastruktur, wie wir sie gerade haben, so unzuverlässig sie ist, Kitaplatzmangel, kommen wir nicht weiter und wir verheizen auch gerade berufstätige Mütter, die halt nun mal in diesem Land den Großteil der Care-Arbeit übernehmen und die halt nun mal in der Masse auch in Teilzeit sind, also die eben die große Verantwortung für die Kinder haben. Und es ist ja auch immer das Spannende, wenn man mal Männer fragt, die jetzt nicht den Hauptteil der Care-Arbeit übernehmen, wie sie sich denn fühlen würden, wenn sie eine Vollzeitverantwortung gegenüber ihrer Arbeitgeberin oder ihrem Arbeitgebern haben und morgens die Kita anruft und sagt, ihr Kind kann heute nicht kommen. Im Notfall springen ja in Deutschland auch immer noch in der Masse die Mütter ein und dann muss man auf einmal gucken, wie man das alles schafft. Und das geht auch auf Dauer, und das ist eben auch mein großer Appell auch, an die Gesundheit, die langfristige Folgen mit sich bringt, die auch wiederum die Gesamtheit viel zu viel kostet. Und wir sollten jetzt im Endeffekt umdenken und ich weiß, Kitaplätze können nicht so schnell aufgebaut werden, aber es gibt auch andere Möglichkeiten, es gibt pragmatische Lösungen, in denen wir alle ein bisschen mehr zusammenhalten.

[00:14:17] Stefanie Hornung: Ich denke, dass diese Argumentation bei den Unternehmen sicher sehr gut ankommt, aber du betrachtest ja Mutterschaft dann quasi als eine Art Ressource. Und da kann ich mir vorstellen, da gibt es durchaus auch Kritik oder das sind dann vielleicht die, was du erzählt hast, auf der Lesereise, die Frauen, die auch sagen: Sehe ich aber anders.

[00:14:38] Anne Theiss: Ich denke, dass es ganz wichtig ist, dass wir in Deutschland verstehen, wie unsere Wirtschaft funktioniert. Unsere Wirtschaft funktioniert über Talente, Patente, über Entwicklungen, über Menschen. Wir sind Erfinderinnen und Erfinder, worauf wir immer so stolz sind. Es schadet uns allen nicht, auch uns Müttern übrigens, dass wir uns selbst auch als Ressource sehen, dass das, was wir tun, eine Ressource ist, die dieses Land in Zeiten von demografischem Wandel braucht. Und die Mutterschaft in den wirtschaftspolitischen Kontext zu setzen, ist, habe ich erfahren, provokativ, aber meiner Ansicht nach, vor allem nach der Erfahrung des letzten Jahres, wahnsinnig wichtig, dass wir das immer mehr tun und dass wir uns auch bewusst werden, dass sie Macht bekommen haben. Und die müssen wir einsetzen. Die müssen wir in der Politik einsetzen, die müssen wir aber auch daneben einsetzen – wir müssen uns dessen bewusst werden. Und es ist natürlich schon ein länger Thema, dass Eltern keine Lobby haben, Mütter keine Lobbys haben, aber wir müssen sie uns schaffen und wir müssen Gesicht zeigen. Deswegen, ich stehe sehr zu dem Titel, auch wenn ich da teilweise da so, wie man im Bayerischen sagt, eine Watschen bekommen hab. Aber ich finde, genau solche Titel braucht’s mehr. Und es muss der Finger in die Wunde gelegt werden. Wir müssen sagen, was wir wert sind und dass wir es verdient haben, dass gut mit uns umgegangen wird.

[00:15:51] Stefanie Hornung: Lass uns doch mal auf die Wege schauen, wie wir da rauskommen. Kinderbetreuung, hast du schon erwähnt. Was denkst du müsste da passieren? Was liegt da im Moment aus deiner Sicht im Argen?

[00:16:03] Anne Theiss: Ja, natürlich vor allem mehr Ressourcen. In der Bundespolitik wurden ja jetzt wieder die zwei Milliarden verabschiedet für die Kita-Qualität. Ich lese jegliche Studien, die mehr Milliarden verlangen. Die Bertelsmann Stiftung geht von 12 Milliarden pro Jahr aus, die wir eigentlich bräuchten. Das Geld wäre ja im Endeffekt da. Es wird nur falsch auch verlegt. Das heißt immer, wir müssen jetzt überall sparen. Aber wir haben dann auf der anderen Seite Geld für Subventionen für Halbleiterkonzerne, die dann am Ende doch nicht kommen. Oder wo man ja auch nicht weiß, wie lange sie hierbleiben. Ich bin ein absoluter Wirtschaftsbefürworter und sage ja, wir müssen auch natürlich in diese Industrie investieren, wir müssen die Lieferkettenunabhängigkeit gewährleisten, aber es muss eher effizient sein. Und wenn diese Milliarden – im Endeffekt waren 16 Milliarden Subventionen, die für TSMC und Infineon etc. da und es kam gerade in der Zeit raus, als es darum ging, die Kita-Platzmenge und die Kitaqualität nimmt so ab, da frage ich mich, wo ist denn da die Fokussierung? Und wir müssen ja auch jetzt schon in die Zukunft denken. Wir als Elterngeneration mit kleinen Kindern stehen für Erschöpfung für die jüngere Generation, die sich jetzt gerade überlegen, ob sie Kinder wollen. Und da ist die Politik viel zu kurzsichtig. Wir müssen umschichten, wir müssen Milliarden in den Kita-Ausbau setzen, Fachkräftemangel beheben, auch durch Migration, durch Umschulungen. Wir haben in diesem Land auch viele Rentnerinnen und Rentner, die gerne weiterarbeiten möchten. Das meine ich eben mit pragmatischen Lösungen. Ich lasse mir doch nicht sagen, dass es nicht möglich ist, diese 400.000 Plätze nicht doch zu schaffen. Und eine andere ganz wichtige Sache finde ich natürlich: Gleichberechtigung. Also wir müssen an die Männer ran. Wo sind die Männer? Toll, ich sehe immer einen in der ersten Reihe. Auf meine Lesungen kommen mir ehrlicherweise immer noch zu wenige. Wo sind denn die Männer, gerade auch wenn es ums Thema Lobby geht oder Väter, die mehr Elternzeit nehmen und mehr als die zwei Monate, weil das ist auch wissenschaftlich nachgewiesen, erst ab drei Monaten versteht man auch so ein bisschen, was Care-Arbeit ist.

[00:17:56] Stefanie Hornung: Wie machst du das denn persönlich? Dein Mann kümmert sich genauso viel wie du, oder?

[00:18:01] Anne Theiss: Sagen wir es so, er hat eine Entwicklung durchgemacht. Wir sind da in gewisser Weise privilegiert und können uns sozusagen auch Hilfe dazuholen. Wir haben auch in Tutzing, woher ich komme, keinen Kitaplatzmangel. Und meine älteste Tochter, muss ich sagen, ein positiver Aspekt der Förderschule ist, dass sie eine sensationelle Ganztagesbetreuung hat. Deswegen kann ich sagen, konnten wir es auch durch die besondere Situation von Ella am Anfang noch nicht so gut. Also ich habe reduziert. Ich habe extrem reduziert, hatte aber das Glück, dass mein Arbeitgeber gesagt hat immer: Bleiben Sie dran. Ich mache Ihnen alles möglich. Bleiben Sie flexibel. Ich konnte Stunden erhöhen, Stunden wieder reduzieren. Das war auch eigentlich ein Privileg, wie ich so teilweise vernehme. Ja, also wir haben auch gearbeitet. Wir kommen beide aus sehr konservativen Familien. Also ich sage nicht, dass das von Anfang an gut funktioniert hat. Und ich sage auch, dass wir da gerade als Frauen noch eine Arbeit aufholen müssen, die eigentlich die vorherigen Generationen hätten schon leisten können. Ich merke natürlich, dass auch da Prägungen eine Rolle spielen. Also mein Mann hat auch erst sozusagen in unserer Ehe gelernt, wie eine Waschmaschine funktioniert. Und das ist natürlich zu spät. Also wir müssen an die Prägung auch ran. Und wir müssen, merke ich jetzt schon bei meinem kleinen Sohn, uns immer wieder bewusst werden und reflektieren: Fördere ich ihn genauso wie die Schwester, muss er genauso im Haushalt mitarbeiten? Und ich versuche natürlich auch selbst ein Vorbild ihm zu sein, dass er selbstverständlich mit einer berufstätigen Mutter aufwächst.

[00:19:33] Stefanie Hornung: Es ist ja so, wir müssen wahrscheinlich alle dafür bezahlen mit unserem Wohlstand, wenn Mütter nicht eingebunden sind und die gleichen Chancen vorfinden wie alle anderen auch. Aber die Mütter selbst bezahlen ja am meisten, also durch das Ehegattensplitting. Aber auch vor allem alleinerziehende Mütter sind sehr stark von Altersarmut betroffen. Viele Mütter übernehmen nach wie vor den Großteil der Care-Arbeit, sie arbeiten in Teilzeit. Ich glaube, es sind, ich habe mir mal die Zahl rausgesucht, 67 Prozent der Mütter, die in Teilzeit arbeiten und länger in Elternzeit gehen als die Männer, und das bremst einfach ihre Karriere. Also wir sehen das am Gender Pay Gap, wir sehen das im direkten Vergleich, wir sehen es aber auch über ein komplettes Leben. Wo sollten wir denn da ansetzen? Gibt es da vielleicht noch weitere Ideen deinerseits?

[00:20:33] Anne Theiss: Ja, wenn du Ehegattensplitting sagst, fordere ich natürlich sofort die Abschaffung, obwohl ich tatsächlich sogar selbst davon profitiere. Sowas muss weg. In Schweden haben sie das schon in den 1970er Jahren geschafft. Und wir sehen, Schweden ist für uns ja immer das erste Vorbild, das wir nennen. Das meinte ich eben auch vorher mit den familienpolitischen Maßnahmen. Also wir müssen natürlich mal reflektieren, ob das, was wir verabschieden, oder das, was wir als Gesetze haben, überhaupt so gestaltet ist, dass es auch das bringt, was wir eigentlich wollen und was wir brauchen. Wir müssen da nur über die Ländergrenzen hinweggucken, das wird auch alles schon gelebt. In Deutschland müssen wir jetzt wirklich schauen, dass wir uns da nicht abhängen lassen. Ich denke auch, ich spreche auch ab und an mit Menschen, die viel in der Welt herumkommen, viel in der internationalen Wirtschaft unterwegs sind, die sich auch teilweise sorgenvoll eben über die Situation in Deutschland äußern und sagen, wir müssen halt schon auch aufpassen, dass wir keine Utopien fordern und über diese diskutieren, sondern dass wir auch immer wieder zurückkommen: Was ist unser Wirtschaftssystem, wie funktioniert unsere Wirtschaft? Da will ich jetzt gerade so ein bisschen drauf hinaus auf die Bezahlung der Care-Arbeit, was ja so allgemein so die große Debatte ist. Und da ist eben meine Meinung ganz klar, das ist eben nicht das, was uns wirklich weiterbringt, wenn wir das auch so in der Masse fordern. Ich finde, ich bin absolut für die Sichtbarkeit von Care-Arbeit, aber ich bin dafür, dass es gleichberechtigt einfach aufgeteilt wird und dass wir sehen, dass wir Anreize schaffen, dass wir Frauen in die Berufstätigkeit bringen, denn durch eine Bezahlung der Care-Arbeit, die im Privaten stattfindet, haben wir sie wieder nicht auf dem Arbeitsmarkt und können dann wiederum Altersarmut weniger verhindern. Und Care-Arbeit in dem Sinne könnte ganz einfach bezahlt werden, wenn man das Ernährermodell lebt, man einfach sagt, sich hinhockt im Privaten und sagt, du gehst arbeiten, ich kriege davon die Hälfte und wir teilen dieses Gehalt auf. Die Debatte ist mir manchmal einfach so fokussiert auf ein Thema, das uns allgemein nicht weiterbringt und auch die Politik dann so ein bisschen zurücklehnen lässt, weil sie sagt, da muss ich mich ja nicht drum kümmern. Wenn wir konkreter die Dinge fordern, wenn wir wütender sind, wenn wir wirklich sagen, Ganztagesbetreuung, 2026 kommt jetzt der Anspruch auf die Ganztagsbetreuungen der Grundschulkinder. Wie sieht es da aus? Wie machen wir das? Lobby, uns zusammentun und nicht immer zurückschrecken, wenn es um Wut geht, wenn es in Bezug auf Mutterschaft oder Elternschaft geht. Wir haben Grund, wütend zu sein und wir sollten das viel mehr äußern und uns zusammentun, Mann wie Frau, und zusammen kämpfen und zwar jetzt. Jetzt haben wir die Macht, das auch zu tun. Wobei man tatsächlich sagen muss, dass in den letzten zehn Jahren in den Tarifrunden einiges aufgeholt wurde. Also das hat man ja auch gesehen. Wir haben es geschafft, die schlechte Bezahlung der Erzieherinnen und Erziehern in den Fokus zu rücken und das ist fast passiert. Meine Schwester arbeitet in der Pflege und sie sagt immer, dass die bessere Bezahlungen absolut wichtig, aber fangen wir auch in der Gesellschaft an. So oft kommen Schüler zu ihr, sie bildet Pflegeberufe aus, so oft kommen Schüler zu ihr und sagen, ja, meine Großmutter hat gesagt, warum soll ich denn in der Pflege, warum arbeite ich denn in der Pflege oder mein Vater hat gesagt, ich soll doch was Gescheites machen. Da können wir auch selber was dafür tun und den Berufen an sich mehr Wert geben, nicht nur durch Bezahlung, sondern auch durch Ansehen und auch Umgang. Ich höre oft auch von Erzieherinnen und Erziehern, wie teilweise Eltern mit ihnen sprechen, wie sie mit ihnen umgehen. Also da müssen wir natürlich auch ein bisschen selbst reflektieren. Wie wir uns gegenüber und miteinander verhalten.

[00:23:45] Stefanie Hornung: Wenn wir uns jetzt die aktuelle Situation anschauen und wir diskutieren ja nicht seit gestern über diese Themen, dann muss man sagen, naja, richtig viel Fortschritte haben wir nicht unbedingt gemacht. Also vielleicht sogar Rückschritten. Der Gender Care Gap besteht weiterhin. Die neuesten Zahlen sind, Frauen leisten durchschnittlich acht Stunden mehr unbezahlte Arbeit pro Woche als Männer. Kitas und Kindergärten verkürzen ihre Öffnungszeiten. In den USA zum Beispiel ist auch so ein Bild, wie das der Tradwives, die Frau bleibt zuhause, umsorgt ihren Mann. Das wird auch wieder salonfähig in manchen Kreisen. Warum bewegen wir uns denn nicht vom …

[00:24:30] Anne Theiss: Tatsächlich aber eine positive Geschichte, wir müssen uns immer ein bisschen im Positiven bleiben. Die Tradwives sind ja eigentlich Unternehmerinnen. Also wenn ich eine Influencerin bin und mich Tradwife nenne und dann aber mit Werbung etc. 100.000 Euro verdiene, dann bin ich eine Unternehmerin. Aber das muss man eben auch immer dazu sagen. Das ist natürlich auch so ein bisschen mehr Schein als Sein. Absolut. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht einen Rückschritt machen. Dass wir nicht wieder auch, gerade die Coronazeiten haben gezeigt, dass auch gerade progressivere Männer danach gesagt haben, ach Mensch, so dieses traditionelle Bild, das taugt mir eigentlich schon mehr, weil es jetzt schon ein bisschen anstrengt, dass da viele Mütter in dieser Zeit reduziert haben, wenn nicht sogar ganz wieder aus dem Beruf ausgestiegen sind. Also wir haben da zehn Jahre Entwicklung verloren, 15 Jahre Entwicklung verloren, die wir aber, auch wieder um optimistisch zu bleiben, ja, gerade durchaus relativ schnell auch wieder aufgeholt haben. Und ich habe auch das Gefühl, dass gerade die Coronazeit auch gezeigt hat, dass die Elternthemen auch untereinander mehr besprochen werden und dass man durchaus auf der sozialen, auf den sozialen Netzwerken sich verbindet. Unpaid care work, wo ich jetzt nicht vielleicht unbedingt die gleiche Meinung habe, aber trotzdem finde ich es gut, welche Sichtbarkeit da entstanden ist für Elternthemen, für Mütterthemen. Also von dem her, ich habe schon das Gefühl, dass man lauter wird. Dass die Politik auch reagiert. Es war eine Enttäuschung, dass es gerade die Ampelregierung keines ihrer familienpolitischen Projekte durchgebracht hat. Da merkt man auch unter Eltern eine gewisse Frustration. Aber ich habe schon das Gefühl, dass man mehr wird, dass man lauter wird, dass sie sichtbarer wird und dass sich daraus dann auch etwas ergeben wird, hoffentlich, wenn wir da dranbleiben.

[00:26:02] Stefanie Hornung: Du hast keine Angst, dass die momentane Situation, die wirtschaftliche Unsicherheit, auch die geopolitische Lage, dass das nicht dazu führen könnte, dass wir vielleicht gerade zurückfallen in ein altes Mutterbild?

[00:26:14] Anne Theiss: Aus meiner Sicht hat das die meiste Auswirkung auf noch kinderlose Frauen und ich habe jetzt für das zweite Buch relativ viele Interviews auch geführt, auch mit einer Frau, die Workshops speziell zur Kinderfrage anbietet und die spricht mit ganz vielen jungen Frauen, so um die 30, die sich eben diese Kinderfragen jetzt stellen und die meiste Antwort auf die Frage, warum sie sich gerade keine Kinder vorstellen können, ist Angst, und da sprechen wir natürlich jetzt über eine Entwicklung, wo es auch um die Freiheit der Frauen geht, wenn sich Frauen bewusst gegen ein Kind entscheiden, ist das absolut richtig und die richtige Entscheidung. Das muss individuell frei sein. Aber was ist, wenn Angst eine Rolle spielt? Dann haben wir in dem Land wieder ein Problem, ob wir wirklich noch die Wahlfreiheit haben, Kinder zu bekommen oder nicht. Dann entscheiden sich Frauen aus Angst nicht für ein Kind, aus Angst Privilegien zu verlieren, aber ja auch aus Angst, in welcher Zukunft ich ein Kind gebäre. Wobei sie sagt, die Geopolitik, ja,  Kriege in der Ukraine, Klimawandel. Das ist nicht der hauptsächliche Grund. Der hauptsächliche Grund für die Angst ist der Verlust der Privilegien. Und dass man allein mit dem Kind dasteht. Auch da wieder die Männerfrage: Wo sind die Männer? Wir müssen da echt einen Sprung nach vorne tun, weil die Kinderlosigkeit nimmt zu. Frauen kriegen weniger Kinder, als sie eigentlich möchten. Die Geburtenrate ist schon im ersten Quartal 2024 rückläufig. Also weniger als im ersten Quartal 2023. Die Entwicklungen sind schon so da, dass ich sage, das hat eher die Auswirkungen auf die noch kinderlosen Frauen, wo wir auch hinschauen müssten. Und wo wir auch den Fokus drauf legen sollten, für die Mütter, die Kinder haben, für die Frauen, die Müter sind, da muss ich schon sagen, da ist auch eine gewisse Traurigkeit, die mich da teilweise umgibt, weil man natürlich so jetzt in dieser Rolle ist und man hat die Kinder und man muss in diese Zukunft springen und ist aber währenddessen noch irgendwie damit beschäftigt, dass die grundlegende Infrastruktur funktioniert, dass man nicht ganz untergeht, auch mit der Gesundheit irgendwie noch gut klarkommt und sie nicht auf Dauer gefährdet. Das ist eine sehr, sehr schwierige Situation und ich fange halt dann immer am Küchentisch an. Ich versuche halt immer im Kleinen dann auch immer wieder auch mit den älteren Generationen zu sprechen, weil bei der nächsten Bundestagswahl ist der Altersdurchschnitt der Wähler 60 Jahre. Und wir müssen im Endeffekt viel mehr darauf achten, dass wir für unsere Belange auch die Interessen der älternen Generation gewinnen. Dass wir auch schauen, dass die Parteien gewählt werden. Und die Projekte durchgeführt werden und auch Gesetze wirklich verabschiedet werden, die für eine Erleichterung sorgen und für eine Unterstützung.

[00:28:41] Stefanie Hornung: Kommentare oder Fragen. Ich habe hier ein Mikrofon und würde gerne jetzt die Runde öffnen, wenn jemand eine Frage hat.

[00:28:51] Zuhörerin: Ich bin Katharina Wilmer aus Leipzig, am Forschungszentrum Helmholtz und selber Mutter von zwei Kindern, und wir versuchen auch insbesondere die Mütter sehr zu stärken und merken jetzt aktuell, dass wir auch dafür ganz intensiv auf die Väter zugehen müssen. Da ist meine Frage, gibt es da vielleicht von Ihnen Ideen, wie man das machen kann, weil da sind wir gerade noch so ein bisschen ratlos.

[00:29:17] Anne Theiss: Ja, also ich glaube, das sind tatsächlich die berühmten Role Models, die auch in Unternehmen gelebt werden müssen, und dass einfach beide Geschlechter keine Angst haben müssen, es zu tun. Denn eines der größten Argumente oder der am weitesten verbreiteten Argumente von Männern ist ja, dann werde ich schief angeschaut oder ich habe Nachteile in der Karriere, das antworte ich dann immer, ja willkommen in meiner Haut. Das ist halt nun mal das, wo man einfach als Geschlecht auch sich gegenseitig wahrnehmen muss und dann einfach sagen muss, okay, jetzt müssen wir mal ein bisschen an unsere Privilegien ran und die auch teilen. Ich meine, Benefits zu gestalten, das einfach attraktiv zu machen, auch Workshops zu machen. Also ich glaube, es sind Role Models, es ist Arbeit, es sind Workshop. Es ist im kleinen anfangen und dann groß werden lassen. Und am Ende kommt es aber natürlich aufs Individuum an. Den Mann, der sagt, okay, ich mach das jetzt halt mal. Und ich habe einen schönen Kommentar, auch im Interview für mein zweites Buch, gehört von einer älteren Dame, die gesagt hat, eigentlich dürfen die konservativen Männer gar nicht mehr geheiratet werden. Und vielleicht auch so für die eigene Zukunft und die Zukunft der Söhne, wenn man da mal ein bisschen mitdenkt, es wird nicht attraktiver.

[00:30:22] Stefanie Hornung: Dein Buch beginnt ja auch mit so einem Hinweis, das sagt einem niemand. Was hättest du denn gerne gewusst, bevor du Mutter geworden bist und was würdest du deinem jüngeren Ich raten, das noch kinderlos war?

[00:30:40] Anne Theiss: Wähle weise den Arbeitgeber, was ich tatsächlich auch dann gemacht habe, aber ich hab’s natürlich erst im Nachhinein dann so richtig gespürt. Das würde ich als kinderlosen Frauen, sag ich mal, so raten. Ich hätte mit meinem Mann mehr gesprochen. Also wir haben zwar gesprochen, wir haben auch darüber gesprochen, bevor ich schwanger wurde, was wir machen, wenn ein Kind mit Behinderung auf die Welt kommt. Und das war zum Beispiel im Nachhinein total wichtig, dass wir das Gespräch davor hatten. Und das hätte ich aber auch über Care-Arbeit machen, also zum Thema Care-Arbeit vor der Schwangerschaft und vor dem ersten Kind besprechen sollen. Grad wenn da noch so eine Situation kommt, dass das Kind krank ist, dann ist man unfassbar schnell in der traditionellen Rolle drin. Und man kommt unfassbar schwer da auch wieder raus. Viel mehr reden und viel mehr Abmachungen treffen. Knallharter Ehevertrag. Aber nein, es ist so, auch wenn es unromantisch klingt. Wenn man zum Beispiel plant, dass man auch gern mit dem Kind zu Hause bleibt, ist das ja auch nicht schlimm. Auch wenn übrigens die Väter länger zu Hause bleiben. Aber man muss klare finanzielle Absprachen treffen und man muss es festschreiben, um sich selbst abzusichern. Ganz einfach. Die Dinge würde ich mir raten. Einfach ein bisschen weniger rosarot, bisschen weniger Romantik, mehr Vernunft. Ja, und dann im Nachhinein positiv kann ich ja sagen, man kann den konservativsten Mann heiraten und trotzdem glücklich werden. Man kriegt ihn so fast zu Feministen. Wir sind auf einem guten Weg. Also sie können noch geheiratet werden, aber das ist eben gerade das, was wir wirklich, wo wir einfach merken, wie wichtig die Reflektion ist und auch die eigenen Elternhäuser zu reflektieren, die Prägungen zu reflektieren und dann kann es ja auch wahnsinnig produktiv und spannend sein, auf welchen Weg man sich da beggibt, wenn man es einfach mal neu macht. Mut und ein bisschen Mut. Schadet nicht.

[00:32:18] Stefanie Hornung: Ganz vielen Dank, Anne. Hat mir viel Spaß gemacht, mich mit ihr zu unterhalten. Einen Applaus für Anne Theiss, bitte.

[00:32:43] Kristina Appel: Danke, dass du dabei warst. Wenn dir die Folge gefallen hat, schenk uns ein Like und empfehle uns weiter. Oder noch besser, abonniere gleich den Podcast. Und wenn du mehr über HerCareer erfahren möchtest, besuche uns im Web unter her-career.com und abonnier den Newsletter unter her-career.com/newsletter. So bleibst du informiert über neue Beiträge der HerCareer Academy, aktuelle Podcast-Episoden und Programm-Highlights der kommenden HerCareer Expo in München. Wir freuen uns sehr, wenn du Teil unseres Netzwerks wirst.