Heiraten ist teuer – für Frauen.

Dass dies auf die Hochzeit selbst zutrifft, ist kein Geheimnis. Aber dass Heiraten Frauen mittel- und langfristig teuer zu stehen kommt – und das unabhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht! –, hat eine neue Studie von Elena Herold und Luisa Wallossek nachgewiesen. Sie beschreibt den „Marriage Earnings Gap“. 

Das ifo Institut fasst die Studienergebnisse so zusammen: 
„Mit der Heirat verringern Frauen ihr Arbeitseinkommen im Schnitt um 20 %. Grund dafür ist, dass sie weniger arbeiten oder ganz aufhören zu arbeiten. Bei Männern sei hingegen keine Einkommensverringerung nach der Eheschließung zu beobachten. Das zeigt eine Studie von Autor:innen des ifo Instituts und der Universität Oslo anhand von Rentenversicherungsdaten. ‚Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich in einer Ehe die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau vergrößern, und das unabhängig von der Geburt von Kindern‘, sagt ifo-Forscherin Elena Herold.

Ein Grund für die Verringerung der Arbeitszeit sind laut der Studie Fehlanreize im Steuersystem. ‚Ein Viertel der Einkommensverringerung bei Ehefrauen ist auf das Ehegattensplitting zurückzuführen‘, sagt Herold. Zudem seien Geschlechterrollen ein wichtiger Grund für den Einkommensrückgang. So hätten beispielsweise Frauen, die in Ostdeutschland mit moderneren Rollenbildern aufgewachsen sind, einen geringeren Einkommensrückgang in der Ehe als Frauen mit traditionellen Geschlechterrollen in Westdeutschland.“

Mike Schäfer schreibt zum Marriage Earnings Gap bei LinkedIn, der Unterschied von 20 % weniger Einkommen trete „nicht direkt am nächsten Tag ein, sondern braucht etwa fünf bis sechs Jahre. Danach bleibt er stabil. Eine von zehn Frauen stellt die Erwerbsarbeit vollständig ein. Die noch erwerbstätigen Frauen reduzieren um etwa 18 %. (…)

Die Zeit, die Frauen zusätzlich in Care-Arbeit investieren (müssen), fehlt ihnen für die Erwerbsarbeit und schlussendlich für die Altersvorsorge und Rente. (…)
Die Autorinnen haben nachgesehen, ob sich das Einkommen der Männer verändert, wenn sie das geringere Gehalt haben und die Frau die Hauptverdienerin ist. Nope. Auch dann sinkt das Einkommen der Frauen und das der Männer bleibt vollkommen unberührt.

Es ist also völlig egal, ob die Frau weniger, gleich viel oder sogar mehr Einkommen hat als der Mann. Am Ende muss sie mehr Care-Arbeit leisten, hat weniger Zeit für Erwerbsarbeit und für ihn ändert sich nüscht.“

Care-Arbeit leisten verheiratete Frauen also nicht nur dann in viel größerem Umfang als Männer, wenn Kinder zu betreuen sind. Sondern selbst dann, wenn sie keine Kinder haben. Mit gravierenden Auswirkungen auf ihre langfristige finanzielle Situation.

Wie kann das sein? Wie und warum gelingt es der Politik immer wieder, die systematische Benachteiligung von Frauen unter „ferner liefen“ zu behandeln?
Lohnungerechtigkeit ist kein Frauenproblem, es ist ein gesellschaftliches Problem – und ökonomisch unsinnig, wenn man an den Fachkräftemangel oder an die Kaufkraft von Frauen denkt. Hinzu kommt das Steuersystem, das alte Rollenmodelle begünstigt.

Emilia Roig ist Autorin des Buchs „Das Ende der Ehe“. Im Interview mit herCAREER sagt sie: „Frauen werden durch ein Steuersystem und einen Arbeitsmarkt kollektiv beraubt. Und das ist keine triviale Sache. Frauen verarmen, weil ihre unbezahlte Arbeit in Ehen vereinnahmt wird. Wir haben ein wirtschaftliches Modell, das diese Gehaltslücke fördert.“ Sie plädiert für mehr Ehrlichkeit und weniger Romantisierung von Ehe und Mutterschaft und dafür, Mythen von Glück zu entlarven.

Es ist so wichtig, über den Marriage-Earnings-, den Gender-Pay- und den Gender-Lifetime-Earnings-Gap zu sprechen, und auch über die Rückschritte bei der körperlichen Selbstbestimmung von Frauen. Was wollen wir tun, damit unsere Stimmen endlich gehört werden?

1975 haben in Island 90 % aller Frauen an einem Tag ihre Erwerbs- und ihre Care-Arbeit niedergelegt, um gegen ungleiche Bezahlung und fehlende Karrierechancen auf die Straße zu gehen.  Ein Generalstreik, der so viel Impact hatte, dass Island heute ein Vorbild in Sachen Gleichberechtigung ist.

Wo bleibt in Deutschland unser kollektiver Aufschrei? Wo bleibt unser Generalstreik?

herVIEW - Natascha Hoffner

Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I Preisträgerin des FTAfelicitas-Preis des Femtec. Alumnae e.V.I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I Herausgeberin der Bücher „Frauen des Jahres“ im Callwey Verlag
veröffentlicht bei LinkedIn 12.05.2025