„Bildet Banden!“, fordert Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen im bayerischen Landtag, Frauen auf. Denn Gleichberechtigung von Männern und Frauen komme nicht allein von Sonntagsreden an Frauentagen. Im letzten Jahr ist das erste Buch der Grünenpolitikerin erschienen: „Mut geben statt Angst machen – Politik für eine neue Zeit“. Für ihre Teilnahme an der Messe herCAREER am 16. September 2021 gibt sie im herCAREER Podcast powered by LinkedIn und im Interview vorab einen persönlichen Einblick.

„Nicht Frauen müssen sich verändern, sondern das System“

„Ich bin in einem gleichberechtigten Elternhaus aufgewachsen“, erklärt Katharina Schulze. Aber die Welt sehe anders aus: gläserne Decke, kaum Sichtbarkeit von Frauen in Machtpositionen, ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern. „Für mich kam deshalb nur eine Partei in Frage, die für eine emanzipierte Gesellschaft eintritt.“ Dass bei den Grünen Vorstandsposten paritätisch besetzt werden und es eine quotierte Aufstellungsliste gibt, möchte sie auch anderweitig durchsetzen. Deshalb fordert sie ein „Hälfte-der-Macht-Gesetz“, wonach es quotierten Listen in allen Parteien geben soll.

„Die Hälfte der Bevölkerung ist weiblich. Aber in Deutschland sind deutlich weniger als die Hälfte der Abgeordneten Frauen – im Bundestag derzeit circa 31 Prozent, im Bayrischen Landtag nur 27 Prozent.“ Dass Bayern damit den niedrigsten Stand seit 16 Jahren erreicht hat, möchte sie nicht hinnehmen. Doch als sie das Gesetz 2019 in Bayern einbrachte, hat sie persönlich erfahren: „Es gibt Männer und Frauen in der Gesellschaft, die den Status quo schon ausreichend finden, manche wollen sogar wieder weiter zurück.“ Die Veränderung werde regelrecht bekämpft. „Denn sind wir doch ehrlich, es geht auch darum, Macht abgeben zu müssen – und das ist nicht gewollt.“

„Frauenrechte werden uns nicht geschenkt“, so Katharina Schulze. Das zeige auch die Geschichte, so hätten zum Beispiel unerschrockene Frauen das Frauenwahlrecht in Deutschland vor über hundert Jahren hart erkämpft. Deshalb appelliert die Politikerin an andere Frauen: „Bildet Banden, stellt Forderungen auf und schließt Euch zusammen!“ Ob Sonntagsreden an Frauentagen oder Ausreden von Unternehmen, dass sie aktuell keine Frauen finden und in Zukunft schon alles besser werde, lässt sie nicht gelten. „Das sind alles nur Lippenbekenntnisse. Wir müssen unbedingt an die Strukturen ran.“ 

Ob Gender Pay Gap, Mental Load, die Wichtigkeit von besserer Bezahlung von Pflege- und Care-Berufen oder gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – es seien verschiedene Ansätze nötig. Wichtig findet es die Grünenpolitikerin dabei, mehr über Macht, Verantwortung und Führung von Frauen zu sprechen. Die Zeit sei reif für das „weibliche Jahrhundert“. „Es wird nicht leicht, unsere Forderungen umzusetzen, doch das Momentum ist so gut wie lange nicht“, betont Katharina Schulze. Das Land sei mitten drin im Wandel: Es gebe top ausgebildete Frauen, die wichtige Positionen einnähmen, Netzwerke knüpften und sich für eine bessere und nachhaltigere Zukunft einsetzten. Aber eine solche Veränderung sei nicht konfliktfrei. „Rollback-Bewegungen wie ein verstärkter Antifeminismus oder Beleidigungen im Netz gehören leider mit dazu. Das ist das letzte, verzweifelte Aufbäumen des Patriacharts.“

Um ihre Forderungen umzusetzen, befürwortet sie die Quote, „nicht, weil ich die Quote dauerhaft für das beste System halte, sondern weil die Zeiten der Freiwilligkeit nichts gebracht haben. Es braucht eine kritische Masse an Frauen in Führungspositionen, um die Unternehmenskultur zu verändern.“ Zudem seien neue Teilzeitmodelle für Führungskräfte, mehr Jobsharing sowie insgesamt eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf vonnöten. Dabei sucht Katharina Schulze den Blick über Ländergrenzen hinweg: Island und Neuseeland zeigten etwa, dass sich gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit per Gesetz sehr wohl vorschreiben lasse. „Das Totschlagargument, das geht nicht, zieht angesichts dieser Beispiele nicht mehr.“

Auf der herCAREER liest Katharina Schulze am 16. September 2021 aus ihrem Buch „Mut geben statt Angst machen – Politik für eine neue Zeit“. Einen Vorgeschmack gibt sie mit ihrem Impuls im herCAREER Podcast powered by LinkedIn in der herCAREER-Community.

Über die Person

Katharina Schulze (Jahrgang 1985) gehört seit 2013 als eine der jüngsten Parlamentarier*innen dem Bayerischen Landtag an und ist seit 2017 eine der beiden Vorsitzenden der Fraktion der Grünen. Als innenpolitische Sprecherin der Grünen sitzt sie im Ausschuss für Innere Sicherheit, Kommunale Fragen und Sport. Aufgewachsen ist die Grünen-Politikerin im Münchner Westen, in Herrsching am Ammersee. Sie studierte Interkulturelle Kommunikation, Politikwissenschaft und Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sie trat der Grünen Jungend München bei, wo sie von Januar 2009 bis Januar 2011 Vorsitzende war. Von 2010 bis 2015 war Katharina Schulze zudem Vorsitzende der Grünen München. Im Herbst 2019 schloss Katharina Schulze ein berufsbegleitendes MBA-Studium an der TUM ab. Seit November 2019 ist sie zudem Mitglied des Parteivorstandes auf Bundesebene von Bündnis 90/Die Grünen. In ihrem ersten eigenen Buch mit dem Titel „Mut geben statt Angst machen – Politik für eine neue Zeit“, das im Februar 2020 im Verlag Droemer Knaur erschien, skizziert sie ihre politische Agenda und appelliert an alle, gemeinsam die Gesellschaft zu prägen, in der wir leben wollen.

Im Interview mit der herCAREER sprach Katharina Schulze über Karriere in der Politik und den Systemwechsel für mehr Gleichberechtigung.