Wenn ich in diesen Tagen durch Social Media scrolle oder mich mit anderen austausche, mischen sich Wut, Enttäuschung und Traurigkeit. Was mir Kraft gibt, sind Gespräche mit Kund:innen und viele öffentlichen Stellungnahmen im Sinne der Vielfalt.

Natürlich geht es um SAP, das deutsche Vorzeigeunternehmen, mit dem bis vor Kurzem so lobenswerten DEI-Engagement. Der Konzern gab bekannt, sich diesen Leitlinien künftig nicht mehr zu verschreiben und beruft sich dabei auf neue Vorgaben der US-Regierung.

Wie im Post von Cawa Younosi, dem ehem. Global Head of People Experience bei SAP, nachzulesen ist, handelt es sich gar nicht um eine gesetzliche Vorgabe, sondern um ein rechtlich nicht bindendes Dekret von Trump. Das bedeutet ganz klar, dass SAP diesen Schritt aus Angst vor Umsatzverlusten in den USA geht.

Ich bin selbst Unternehmerin. Auch ich kann es mir nicht leisten, die Bottom Line nicht im Blick zu behalten. Aber während der Trend sich endlich Richtung “People over Profit” bewegt und SAP als Arbeitgeberin beispielhafte Wege gefunden hatte, die Lebensrealität aller Angestellten anzuerkennen, entscheidet sich die Führung nun für Profit over People. Aber zu welchem Preis? Donald Trump will uns den Mund verbieten. Diese Einflussnahme in globalen Konzernen ist die Verlängerung der Sprachverbote in der US-Wissenschaft und der Trump-Administration (siehe meinen Beitrag in den Kommentaren ⬇️). Was bedeutet das für uns als Unternehmen? Gerade jetzt müssen wir Verantwortung für demokratische Werte übernehmen.

Es gibt sie – diejenigen, die sagen: Jetzt erst recht!

Die Charta der Vielfalt e.V. wurde von 6.000 Unternehmen unterzeichnet. Sie alle setzen sich damit für ein wertschätzendes und vorurteilsfreies Arbeitsumfeld ein. Damit stehen sie für 14,7 Millionen Beschäftigte in Deutschland. Wir stehen, wie viele andere Unternehmen auch, durch unser Geschäftsmodell für Vielfalt und Chancengerechtigkeit ein. Die hohe Nachfrage bestätigt es: Gleichberechtigung macht attraktiv, Chancengerechtigkeit ist die Zukunft – wir sind der Proof of Concept. Wenn wir unsere Glaubwürdigkeit verlieren, werden wir auch Talente verlieren. Und kein Unternehmen kann es sich leisten, auch nur auf ein Talent zu verzichten.

Wir gemeinsam machen einen Unterschied, wir können Haltung bewahren und zeigen! Es ist so wichtig, Karrieren nicht im Vakuum zu betrachten, sondern immer eingebettet in gesellschaftliche Entwicklungen. Dann zeigt sich, dass Arbeit durch und durch politisch ist – darum wünsche ich mir, dass auch Unternehmen politische Verantwortung übernehmen. Wir sind gegen autoritären Druck, aber niemals gegeneinander. Nur miteinander wehren wir uns gegen Bevormundung, Diskriminierung und anti-demokratische Kräfte. Nur so bleiben wir als Unternehmen, Arbeitgeberinnen und Menschen glaubwürdig.
 

Die USA und SAP zeigen gerade, dass sie Frauen mit einem Knopfdruck die schwer erkämpften Zugänge wieder verwehren – ohne mi der Wimper zu zucken. Ich jedenfalls werde mir von niemandem mehr anhören: “Ihr Frauen könnt ja alles werden, wenn ihr nur wollt!” 

Das WWF sagte noch letztes Jahr, dass es 134 Jahre, ganze 5 Generationen dauern wird, bis wir Gleichberechtigung der Geschlechter erreicht haben. Wenn wir Trump und seine Administration erlauben, ihren schlechten Einfluss bei uns auszuüben, werden daraus schnell 10 Generationen werden. Moralisch eine Verfehlung, aber darüber hinaus in meinen Augen auch wirtschaftlich eine fatale Fehlentscheidung. 

Im Angesicht der wertvollen Posts von Dr. Wiebke Ankersen, Nina Strassner, Cawa Younosi und Cyrill Luchsinger weigere ich mich, meinen Optimismus aufzugeben. Und ihr?
 

herVIEW - Natascha Hoffner

Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I Preisträgerin des FTAfelicitas-Preis des Femtec. Alumnae e.V.I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I Herausgeberin der Bücher „Frauen des Jahres“ im Callwey Verlag
veröffentlicht bei LinkedIn 21.05.2025