Lea Julia Renders begleitet als „Senior Expert strategische Transformation“ mehrere große Veränderungsthemen im Ressort Anwendungsentwicklung, mit denen sich die Finanz Informatik als Digitalisierungspartner der Sparkassen nachhaltig für die Zukunft aufstellt. Im herCAREER-Interview spricht Lea darüber, wie sich ihre Arbeit an strategischen Transformationsthemen wie der Einführung von KI und dem zukunftsorientierten Kompetenzwandel täglich in der Praxis gestaltet. Und warum KI aus ihrer Sicht keine normale IT-Einführung ist, sondern ein menschzentriertes Führungs- und Kulturprojekt. Sie erklärt, was die Weiterentwicklung hin zu einer skillbasierten Organisation für das Unternehmen bedeutet. Aber auch, was wir alle tun können, um uns auf eine erfolgreiche Karriere im Zeitalter von KI vorzubereiten.
„KI ist keine IT-Einführung, sondern eine Führungsaufgabe.“
herCAREER: Deine Kolleg:innen sagen über dich: „Lea ist Changemakerin“. Bringt diese Bezeichnung aus deiner Sicht gut auf den Punkt, was du in deiner Rolle machst?
Lea Julia Renders: Das trifft es ziemlich gut – denn die Begleitung von Veränderungen ist der Kern meiner Arbeit. Change bedeutet für mich konkret: die Arbeit an Business-Zielen, die mit rein technischen Lösungen alleine nicht zu erreichen sind. Sondern die den ganzheitlichen Blick auf Strukturen, Prozesse und die Menschen in der Organisation erfordern. Ich begleite solche großen strategischen Transformationsthemen und arbeite dabei eng mit unserem Führungsteam zusammen. Ich moderiere Workshops, die neue Blickwinkel auf unsere Haltung und unser Verhalten ermöglichen, anstatt bestehende Strukturen eins zu eins in die Zukunft fortzuschreiben.
Es geht für mich dabei immer um Kongruenz über alle Ebenen der Organisation hinweg: Strategie, Prozesse, Systeme, Governance, sowie Menschen, Kollaboration und Führung. Wenn an einer Stelle etwas verändert wird, müssen auch die anderen Bereiche entsprechend begleitet und nachjustiert werden. Sonst passt irgendwann das große Ganze nicht mehr zusammen.
Ein weiterer großer Bereich meiner Arbeit ist die Unterstützung bei der Vorbereitung verschiedener Kommunikationsanlässe: nach außen für unsere Geschäftsführerin Julia Koch und nach innen für unsere rund 2.300 Kolleg:innen. Transformation gelingt nur, wenn Menschen verstehen, was passiert – und vor allem warum. Und ja, auch das Daily Business gehört dazu: Meetings vorbereiten, Abläufe entwickeln, Ergebnisse nachverfolgen. Nicht alles davon ist spektakulär – aber ohne dieses Fundament läuft keine Veränderung. Changemakerin? Ich nehm’s als Kompliment – auch wenn die Sichtbarkeit von Veränderung und damit auch meiner Arbeit häufig erst zeitverzögert auftritt.
herCAREER: Wie sieht deine Transformationsarbeit konkret aus – strategisch, kulturell und mit Blick auf Entwicklung der Mitarbeitenden?
Ein Beispiel ist die Einführung neuer Technologien und Arbeitsmethoden, die unsere Effizienz und Innovationskraft steigern sollen. Damit das gelingt, müssen alle gut vorbereitet sein –und genau dabei unterstütze ich unsere Teams. Wir arbeiten auch gemeinsam an der Weiterentwicklung unserer Unternehmenskultur, hin zu mehr Offenheit, Zusammenarbeit und kontinuierlichem Lernen. Das erfordert viel Kommunikation, Feedbackräume und auch Mut. Zum einen den Mut, neue Wege zu gehen aber eben auch den Mut, Dinge nicht mehr zu tun – also „zu verlernen“. Workshops, Trainings und Lernformate helfen hier dabei, Veränderung nicht nur zu denken, sondern zu erleben – gemeinsam und praxisnah. Und dabei immer ganz wichtig: Den Teams ein klares Ziel und ausreichend Orientierung mit auf den Weg geben und die Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen tracken und sichtbar machen.
herCAREER: Du arbeitest mit vielen Stakeholdern: Kund:innen, Belegschaft, Management, Geschäftsführung. Wie schaffst du es, dich in diese vielen unterschiedlichen Perspektiven hineinzuversetzen?
Das ist pure Methodik. Egal ob ich Strategie oder Kommunikation mache – ich kenne den Prozess, die Menschen und die Erwartungen. Ich mache einen Vorschlag, hole gezielt Feedback ein, lasse hinterfragen, justiere. So binde ich alle mit ein, ohne mich zu überfordern. Gerade bei einem Thema mit vielen Unbekannten wie KI ist dieser Raum für Rückfragen und Beteiligung entscheidend, damit über alle Stakeholder hinweg die besten Ideen mit dem höchsten Mehrwert in den Prozess einfließen.
herCAREER: Welche Rolle spielt Führung in der KI-Transformation und beim Übergang zu skillbasierten Organisationen?
Eine absolut zentrale Rolle. KI ist keine klassische IT-Einführung, sondern eine Führungsaufgabe. Führungskräfte müssen heute nicht nur vermitteln, was sich verändert, sondern auch warum. Sie begleiten nicht nur – sie müssen vorausdenken und dann auch als Vorbild vorausgehen. Das gilt besonders für KI, wo es nicht nur um Technologie geht, sondern um neue und teilweise grundsätzlich andere Arten der Zusammenarbeit und damit auch um die Entwicklung neuer Kompetenzen.
Skillbasierte Organisationen brauchen ebenfalls entsprechend vorbereitete Führungskräfte, die nicht auf Hierarchie schauen, sondern auf Potenziale. Führungskräfte, die sagen: „Ich sehe dich mit deinen Stärken und Skills – nicht nur in deiner Rolle oder deinem Titel“.
herCAREER: Wie verändert KI aus deiner Sicht die Rolle von Menschen in der Arbeitswelt?
Ich sehe KI nicht als Ersatz, sondern als Verstärkung – als Mensch-KI-Interaktion. Viele Routineaufgaben fallen weg – dafür entstehen neue Aufgaben. Besonders dort, wo Menschen interpretieren, bewerten und Entscheidungen treffen. Das nennen wir „Human-in-the-Loop“: KI liefert Ergebnisse, aber der Mensch bleibt der Entscheider. Ich finde das entlastend. Endlich mehr Raum für sinnstiftende und kundenzentrierte Aufgaben. Für kreative Prozesse und zwischenmenschliche Stärke. Im Ergebnis sehe ich die Entwicklung also durchaus positiv. Aber der Weg dorthin ist nicht trivial und erfordert Bereitschaft fürs „Anders machen als bisher“. Er erfordert das Erlernen von neuen Kompetenzen und viel Eigenmotivation für die persönliche Weiterentwicklung. Wie heißt es so schön? „Insanity is doing the same things all over again“. Klingt verrückt und banal – ist aber leider immer noch Alltag in vielen Organisationen.
herCAREER: Warum setzt ihr bei der FI auf eine skillbasierte Organisation?
Weil klassische Stellenprofile nicht mehr ausreichen, um abzubilden, was wir als Organisation in Zukunft können müssen. Die Arbeit verändert sich schneller, als bisherige Rollenbeschreibungen angepasst werden können. Dazu kommt dann noch der Generationswechsel: Wir planen im großen Umfang die Einstellung von neuen Talenten, während viele Kolleg:innen in Rente gehen. Skillbasierte Modelle helfen uns in dieser Phase flexibel zu reagieren. Sie ermöglichen interne Mobilität, fördern Kompetenzen – und öffnen Türen für Menschen mit vielfältigen Lebensläufen, z. B. nach einer Auszeit. Das macht uns zukunftsfähiger, vielfältiger und lernfähiger. Niemand hat aktuell einen detaillierten Skill-Fahrplan für das Zeitalter von KI. In Zukunft werden Teams sich viele Schlüsselkompetenzen durch kollaboratives „Learning by Doing“ selbst erschließen. Und dafür muss die Organisation bereits jetzt den entsprechenden Rahmen schaffen.
herCAREER: Was bedeutet „Learning by Doing“ in der Praxis der KI-Transformation?
Es bedeutet: einfach anfangen. Wir starten mit kleinen Use Cases, die aber eine hohe Praxisrelevanz für viele Mitarbeitende haben. Wichtig ist, dass KI als Unterstützung erlebt wird. Unsere Lernreisen beinhalten echte Anwendungsszenarien, Reflexionsphasen und Leitfäden. Der Gamechanger ist der Moment, in dem jemand sagt: „Wow, das spart mir jeden Tag 30 Minuten!“. Es ist unglaublich wichtig, die Vorteile der Veränderung auf diese Weise erlebbar zu machen: emotional anfassbar. Denn sonst fragen sich die Mitarbeitenden zu Recht, warum sie die Extrameile gehen sollen. Egal, wie gut deine „Change-Story“ am Anfang das „Warum“ der Veränderung erklärt: Mittelfristig ist der Output entscheidend. Handfeste Ergebnisse, die messbar sind und vor allem erlebt werden können.
herCAREER: Was meinst du mit „Veränderung muss erlebt werden“?
Viele Transformationen bleiben abstrakt. Neue Tools, neue Prozesse – aber ohne echte Beteiligung. Wir wollen, dass Veränderung spürbar wird: durch Workshops, konkrete Alltagserfahrungen, echten Dialog. Nur wenn die Menschen erleben, dass sie selbst Teil des Wandels sind und ihr Engagement zu einem realen Mehrwert beiträgt, entsteht nachhaltige Veränderung. Und zwar nicht nur in den Strukturen und Abläufen, sondern vor allem auch bei der Haltung und dem Verhalten der Menschen in den Teams.
herCAREER: Wie schaffst du es bei der Menge an Einzelmaßnahmen, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren?
Ich versuche, nicht im operativen Strudel unterzugehen. Ich frage mich regelmäßig: Bringt diese Aufgabe wirklich Mehrwert? Zahlt diese Tätigkeit auf unsere Transformationsziele ein? In der Umsetzung muss man Strategie in kleine Scheiben schneiden – es geht gar nicht anders. Aber hin und wieder muss man bewusst zwei Schritte Abstand nehmen, um das „Warum“ und „Wohin“ nicht aus den Augen zu verlieren. Ich blocke mir dafür bewusst Reflexionszeit – manchmal reicht aber schon ein Anruf bei Kolleg:innen am Freitagmittag. Austausch hilft mir, Muster zu erkennen und Perspektive zu bewahren. Wie beim Sport: besser kurz als gar nicht. Und manchmal muss es auch etwas Herausforderndes sein.
herCAREER: Du hast erwähnt, dass Sport für dich ein Kraftort ist. Wie beeinflusst das deine Arbeit?
Sport gibt mir Ausdauer und Fokus. Wandern, Skifahren, Bergsteigen. Da lernt man – gerade auch als Team –Etappen zu meistern und innezuhalten. Diese Haltung nehme ich mit: dranbleiben, reflektieren, regenerieren. Und auch: gemeinsam unterwegs sein, nicht gegeneinander. Ob Arbeit oder Sport: Man braucht einander!
herCAREER: In deinem Job blickst du sehr strategisch auf die Zukunft. Hast du für deine eigene Lebensplanung auch einen solchen Masterplan?
Von persönlichen Masterplänen bin ich nicht überzeugt. Das tolle am Leben ist doch, dass es eben nicht zu hundert Prozent planbar ist. Und das Unverhoffte kommt oft mit neuen Perspektiven und Möglichkeiten, die man gar nicht in seinem Horizont hatte. Für mich funktioniert es, in Zwei-Jahres-Schritten zu denken. Das gibt mir Struktur, aber auch Freiheit. Wichtig ist mir, dass ich Entscheidungen treffe, die zu meinen Werten und Lebensphasen passen. Langfristige Pläne wie „Wo siehst du dich in zehn Jahren?“ mache ich nicht – dafür hält das Leben zu viele Überraschungen bereit. Und das ist auch gut so!
herCAREER: Hast du ein Motto für andere Changemaker:innen, die gerade selbst die KI-Transformation im eigenen Unternehmen mitgestalten?
Klar: Transformation beginnt bei uns selbst! – das gilt im Zeitalter von KI ganz besonders. Und: Betrachtet KI nicht als Ziel, sondern als Anstoß, neu zu denken, zu hinterfragen und manchmal auch gezielt zu „verlernen“. Behaltet immer im Blick, dass erfolgreiche und nachhaltige Veränderung nur durch sorgfältige Planung, klare Kommunikation und die Einbindung der richtigen Menschen gelingen kann. Sorgt vor allem immer für ein klares Zielbild: Veränderung braucht Orientierung und kein „Management-Blabla“. Und vergesst nie, dass die Menschen in eurer Organisation die Veränderung erst dann richtig mit Herzblut unterstützen, wenn sie befähigt und ermutigt werden, die Zukunft aktiv mitzugestalten.
Das Interview führte herCAREER-Redakteurin Kristina Appel.
Über die Person
Lea Julia Renders ist Senior Expert für strategische Transformation bei der Finanz Informatik (FI), dem Digitalisierungspartner der Sparkassen. Sie begleitet mehrere große Veränderungsthemen im Bereich Anwendungsentwicklung und arbeitet eng mit dem Führungsteam zusammen. Ihr Schwerpunkt liegt auf der nachhaltigen Weiterentwicklung der Organisation – insbesondere durch die Einführung neuer Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI), den Wandel der Unternehmenskultur und die Förderung zukunftsorientierter Kompetenzen.