„Das Ehegattensplitting wurde in den Fünfzigerjahren eingeführt, um Frauen vom Erwerbsleben fernzuhalten. Heute propagieren fast alle Parteien das Gegenteil. Das Splitting aber bleibt.“ Das schrieb das Magazin brandeins vor rund sieben Jahren – und seither hat sich immer noch nichts geändert.

Das Splitting, so brandeins im Jahr 2015, „ist eine Prämie vor allem für wohlhabende Ein-Verdiener-Ehen“ und ein teures Steuergeschenk. Viele Familien mit Kindern erreiche es gar nicht. Und es trage „nicht zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei, weil es für den Zweitverdiener – meist die Frau – einen Anreiz schaffe, weniger arbeiten zu gehen. (…) Gäbe es das Ehegattensplitting nicht, würden deutlich mehr Mütter arbeiten. Insgesamt wären die Frauen materiell besser abgesichert“ – und dem Staat stünde mehr Geld für wirksamere familienpolitische Maßnahmen zur Verfügung.

Wie sieht es in anderen europäischen Ländern aus? Brandeins: „In Schweden etwa fiel das Ehegattensplitting schon in den Siebzigerjahren, als man die Gleichstellung von Mann und Frau ausrief und den gesamten Rechtsstaat daraufhin durchforstete.“

Die Hans-Böckler-Stiftung schrieb schon 2011:„Länder wie Großbritannien, Schweden, die Niederlande, Spanien, Portugal oder Österreich haben die gemeinsame Besteuerung von Eheleuten abgeschafft zugunsten einer reinen Individualbesteuerung.“ Das Fazit einer DIW-Berechnung der Verteilungs- und Angebotseffekte eines solchen Schritts: „Die Individualbesteuerung würde nicht nur zu erheblichen Steuermehreinnahmen führen. Auch die Erwerbsbeteiligung von Ehefrauen würde sich deutlich erhöhen.“

Und Deutschlandradio Kultur  im September 2021: „Von der OECD und der EU-Kommission wurde Deutschland wiederholt für das Ehegattensplitting gerügt – mit dem Argument, dass es Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalte. SPD, Grüne und Linke fordern in ihren Wahlprogrammen regelmäßig die Abschaffung oder zumindest eine Reform des Ehegattensplittings.“

Warum schafft die deutsche Politik das Ehegattensplitting dann nicht endlich ab?

„Weil es ein sehr schwieriges und unpopuläres Thema ist“, sagte 2015 der familienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Klar, das Ehegattensplitting fördere das nicht mehr zeitgemäße Familienmodell mit dem Mann als Alleinernährer. „Aber das zu ändern ist nicht leicht.“ Man müsse zusehen, „dass man sich nicht in der Rolle des Bösen wiederfindet, der den Bürgern etwas wegnehmen will.“

Bei einer Reform wäre also die Vermittlung entscheidend, die Kommunikation, warum sie notwendig ist.

Immerhin ergab eine Infratest-dimap-Umfrage  zur allgemeinen Reformbereitschaft der Deutschen im Juni 2021: 34% der Befragten wünschten sich nach der bevorstehenden Bundestagswahl einen grundlegenden Wandel. (Im Vergleich zu September 2017 waren das 15% mehr.) 57% wünschten sich „einige Kurskorrekturen“. Nur 7% meinten, alles solle im Wesentlichen bleiben, wie es ist.

Wäre da jetzt nicht eine gute Zeit für eine grundlegende Reform?!

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Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I WiWo-Kolumnistin I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I W&V 2019 – 100 Köpfe
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