Niobe Way, Psychologieprofessorin an der New York University, spricht in der herCAREER Academy über eine Krise der menschlichen Bindungen. Seit Jahrzehnten erforscht sie #Freundschaften, insbesondere unter Jugendlichen.

Auf ihrem Buch „Deep Secrets: Boys’ Friendships and the Crisis of Connection“ basiert der Film „Close“ von Lukas Dhont, der am 26.1. in die deutschen Kinos kommt und von der Freundschaft zweier 13-jährigen Jungen handelt, die plötzlich und auf tragische Weise auseinanderbricht.

  • Die ZEIT fasst Ways Forschungsergebnisse so zusammen:
    „Eines der zentralen Probleme, die sie identifiziert hat: Männer haben oft keine wirklich guten Freunde, mit denen sie ihren emotionalen Ballast teilen können. Entweder redeten sie mit niemandem oder nur mit ihrer Partnerin, was für diese eine enorme Belastung sein könne. Nach Gesprächen mit Hunderten jungen Männern kommt Way zu dem Schluss, dass das Problem in der Pubertät beginne. In einer ihrer Langzeitstudien sprach sie mit einem 14-jährigen Jungen. Der sagte: ‚Ich habe enge Freunde, und ich finde es wichtig, mit ihnen über meine Geheimnisse zu sprechen.‘ Derselbe Junge sagte mit 17: ‚Freunde sind mir egal. Ich bin ja nicht schwul.‘ (…) Männer wüchsen mit der Idee auf, dass sie ihre Männlichkeit unter Beweis stellen müssen, ohne zu wissen, was das sei, Männlichkeit. Diese Männer, sagt die Psychologin, würden dann stoisch, autonom – und einsam.“

  • In einem Interview mit dem SZ-Magazin sagt Way:
    „Alles, was ich über Freundschaften weiß, habe ich von Menschen gelernt, die jünger sind als 25.“ Die Fähigkeit, Freundschaften zu schließen, gehe mit dem Älterwerden nicht auf natürliche Weise verloren, sondern werde – kulturell bedingt – unterdrückt. „Als die Männer aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrten, wurde das binäre Geschlechtersystem in unseren Kulturen forciert: Frauen kümmerten sich um den Haushalt und die Kinder, Männer gingen arbeiten und verdienten das Geld. Die gesamte Kultur wurde in diese Binarität eingeordnet. Beziehungen galten fortan als weiblich, Autonomie und Unabhängigkeit als männlich. Im Patriarchat ist das Männliche natürlich das Erstrebenswerte, also wird Autonomie wertgeschätzt, Freundschaft nicht. Unsere gesamte Kultur ist mittlerweile Ich-orientiert, vor allem von den USA aus hat sie sich weltweit ausgebreitet.“

Partnerschaften sind für sie keineswegs ein Ersatz für Freundschaften: „Es ist ein riesiger Fehler, emotional alles auf einen Menschen zu setzen. (…) Menschen hierarchisieren ihre Beziehungen, diejenige mit dem romantischen Partner oder der Partnerin steht ganz oben. Hört auf damit! Die Beziehungen mit euren Freunden und Freundinnen, Partnern und Partnerinnen, mit der Familie, Kindern, Tanten und Onkeln, sind alle gleich wichtig. Sie alle haben eine bestimmte Rolle in eurem Leben. Menschen brauchen viele verschiedene Beziehungen.“ Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein (vielfach kommentierter) LinkedIn-Post von Waldemar Zeiler.

#herCAREER #genderequality

Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I WiWo-Kolumnistin I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I W&V 2019 – 100 Köpfe
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