Philosophin und Bestseller-Autorin Rebekka Reinhard beschreibt in ihrem neuen Buch „Die Zentrale der Zuständigkeiten“ das Dilemma der modernen Frau – und wie sie sich in 20 Schritten daraus befreit.

„Mutter“ als Inbegriff von Weiblichkeit

Sie hat sich mit Büchern wie „Kleine Philosophie der Macht (nur für Frauen)“, „Die Sinn-Diät“ oder „Würde Platon Prada tragen“ einen Namen als gewitzt-feministische Philosophin und kurzweilige wie tiefsinnige Autorin gemacht. Rebekka Reinhard nimmt sich auch in ihrem neu erschienenen Buch „Die Zentrale der Zuständigkeiten“ kein Blatt vor den Mund. Rebekka Reinhard ist nicht nur stellvertretende Chefredakteurin der Philosophie-Zeitschrift „Hohe Luft“, sondern auch als Speakerin für Unternehmen zu den Themen Führung, Women Power/ Diversity, Ethik und Digitalisierung sowie als Host des Podcast „Was sagen Sie dazu?“ unterwegs. Am 7. Oktober 2022 präsentiert sie auf der herCAREER, der Karriere-Leitmesse für Frauen, in München ihr soeben erschienenes Buch „Die Zentrale der Zuständigkeiten: 20 Überlebensstrategien für Frauen zwischen Wollen, Sollen und Müssen“.

Geschrieben hat sie das Buch aus einer Wut während der Corona-Pandemie heraus, wie Rebekka Reinhard in ihrem Interview mit der herCAREER erzählt: „Corona zeigte, Frauen sind die Krankenschwestern und Reinigungskräfte der Nation – sie sind die Kraftwerke, an deren Verteilernetz die Gesellschaft in prä- wie in postpandemischen Zeiten hängt“ erzählt sie. Die „Zentrale der Zuständigkeiten“ sei eine Metapher für die moderne Frau: „Wir Frauen können alles – und wer alles kann, ist auch für alles zuständig, so die unausgesprochene Regel. Super Woman ist die neue neo-biedermeierliche Idealnorm.“ Damit müsse die Frau in beiden Welten – der privaten wie der weltbezogenen Sphäre, performen: „Wenn du Super Woman sein willst, musst du hart und weich zugleich sein. Hart heißt: professionell-kapitalistisch hart, aber so, dass es niemandem weh tut. Weich heißt: die anderen zart lächelnd und kostenlos mit Energie versorgen.“ Die moderne Frau soll also die „Quadratur des Kreises“ schaffen, Kind und Karriere haben, abhängig und autonom sein.

Dabei wirke das spezielle Mutterbild aus der Nazizeit in Deutschland nach: „Die Kernidentität der modernen Frau im dritten Jahrtausend ist immer noch die Mutter. Das ist das wichtigste „Potenzial“ jeder Frau, egal, ob sie es realisiert oder nicht. Wenn sie in dieser Hinsicht nicht performt und so wie ich kinderlos ist, dann ist sie bestenfalls beruflich erfolgreich, vielleicht auch lustig und interessant, aber sie ist keine „gute“, „echte“ Frau“, sagt Reinhard. Der Mann hingegen müsse in seiner Kernidentität vor allem „körperlich stark und mächtig zu sein und das Sagen zu haben“, egal ob Vater oder nicht. Rebekka Reinhard kritisiert auch den gegenwärtigen Feminismus: „Der Tupperware- oder Marketing-Feminismus unserer Tage, der dauergestresste Superwomen produziert, ist genauso verlogen wie das gleißend blonde, dauerlächelnde, Marmelade einkochende Rollenideal in der Hollywoodkomödie der Fünfziger- und Sechzigerjahre.“

Den modernen Frauen rät Reinhard: „Wenn wir die Emanzipation vollenden wollen, sollten wir uns überlegen: in welcher Welt wollen wir leben und was können wir tun, um das System zu verändern?“ Denn immer noch seien Wirtschaft, Politik und Gesellschaft vom Männlichen geprägt: „Dem Mann gehört die Redemacht, der Logos, die ökonomische Potenz, und er hat die mächtigere Physis. Ihm gehören die Freiräume, Herrschaftsräume, Wirtschaftsräume dieser Welt.“ Sogar moderne, feministische Männer hätten diesen männlichen ,default mode‘, diese Voreinstellung samt Rollenklischees in sich. Spätestens bei der Familiengründung würden beide Geschlechter wieder in traditionellere Rollenmuster verfallen, trotz aller Bemühungen. Und: „Ein Feminist ist nicht einer, der toll über Gleichberechtigung reden kann. Sondern einer, der den Wischmop rausholt und loslegt.“

Frauen rät sie, sich selbst zu empowern und den Mut zu fassen, ihre Wahrheit zu sprechen – auch in beruflichen Kontexten wie Meetings. Denn: „Wann immer wir schweigen, überlassen wir Männern die Redemacht – und damit auch die Entscheidungs- und Privilegienmacht.“ Wer es schon nicht für sich selbst machen möchte, dann doch „für unsere Kinder, für die nächsten Generationen.“

Am 07. Oktober 2022 kommt Dr. Rebekka Reinhard mit ihrem neuen Buch „Zentrale der Zuständigkeit“ auf die herCAREER-Expo und stellt es im Authors-MeetUp vor.

Über die Person

Dr. Rebekka Reinhard ist freie Philosophin. Sie promovierte 2011 an der Freien Universität Berlin über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie (summa cum laude). Seit 2007 ist sie Speakerin für Unternehmen zu den Themen Führung, Women Power/ Diversity, Ethik und Digitalisierung und seit 2019 auch stellvertretende Chefredakteurin der Philosophie-Zeitschrift „Hohe Luft“. Seit 2020 konzipiert und hostet Reinhard den Podcast „Was sagen Sie dazu?“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (wbg), den inzwischen Reichweiten-stärksten deutschen Sachbuch-Podcast, mit Gästen wie Jutta Allmendinger, Mai-Thi Nguyen Kim und Richard David Precht. Die Spiegel-Bestseller-Autorin ist einem breiten Publikum bekannt durch Sachbücher wie „Die Sinn-Diät“ (2009), „Würde Platon Prada tragen?“ (2011) und die „Kleine Philosophie der Macht (nur für Frauen)“. Ihr aktuelles Buch ist „Die Zentrale der Zuständigkeiten: 20 Überlebensstrategien für Frauen zwischen Wollen, Sollen und Müssen“ (Spitzentitel bei Ludwig/ Random House).

Im Interview mit der herCAREER sprach Rebekka über Rollenbilder, Gesellschaftserwartungen und „schlechte Frauen“.