Der soziale Hintergrund und Lebensweg wird heutzutage noch viel zu wenig bei der Einstellung von neuen Mitarbeitenden berücksichtigt – der Fokus liegt noch viel zu stark auf einem formalen Ausbildungsweg und beschränkt sich beim Thema Diversität auf Geschlecht und Alter. Dadurch bleiben viel Potenzial und wertvolle Erfahrungen auf der Strecke, die für den Erfolg von Unternehmen unerlässlich sind. herCAREER im Interview mit Marc Wagner, Head of Employee Experience bei Atruvia AG.

„Diversität bedeutet für mich, dass ich die Vielfalt von Menschen und deren persönliche Hintergründe als Fundament für ihre Leistungs- und Anpassungsfähigkeit verstehe.“

herCAREER: Inwiefern legen HR-Verantwortliche den Fokus immer noch zu sehr auf formale Ausbildungswege von Bewerber:innen? Welche Erfahrungen hast Du damit gemacht, was beobachtest Du diesbezüglich?

Marc Wagner: Meine Beobachtung ist, dass bereits bei der Ansprache von potenziellen zukünftigen Mitarbeiter:innen häufig noch klassisch vorgegangen wird. Es dominieren formale Anforderungen wie z.B. bestimmte Abschlüsse mit einem häufig stark fachlichen Fokus. Zudem sind die Anforderungen so formuliert, dass diese zwar die fachlichen, inhaltlichen Aspekte der Aufgabe versuchen präzise zu beschreiben – allerdings mit wenig Fokus auf kulturelle Aspekte, Aussagen zur Art der Zusammenarbeit oder zu überfachlichen Fähigkeiten und persönlichen Erfahrungswerten. Das Ganze zieht sich dann im weiteren Bewerbungsprozess und in der Gestaltung von Gesprächen und Assessments durch. Allerdings nehme ich auch wahr, dass immer mehr Unternehmen beginnen, hier weiter und ganzheitlicher zu denken, dass persönliche Erfahrungen der Kandidat:innen (wie z.B. die Bewältigung von Krisen, Erfahrungen aus dem familiären Umfeld sowie positive Brüche im Lebenslauf) eine größere Rolle spielen und dass Auswahlgespräche und Methoden auf eine ganzheitlichere Sicht setzen.

herCAREER: Warum sollte bei der Einstellung von neuen Mitarbeitenden mehr auf deren sozialen Hintergrund geachtet werden?

Marc Wagner: Nach meiner Erfahrung macht die formale und fachliche Ausbildung nur zu einem gewissen Teil das Potenzial eines Menschen aus. Insbesondere das soziale Umfeld und die in diesem Kontext gemachten Erfahrungen bewirken eine Persönlichkeitsentwicklung und liefern damit wertvolle Beiträge für Unternehmen. Sie können zu einem breiten Verständnis von Diversität, der Unterschiedlichkeit von Menschen und deren Bedeutung für die Leistungs- und Anpassungsfähigkeit von Organisationen beitragen. Menschen, die z.B. persönliche Krisensituationen bewältigt oder ihre Ausbildung selbst finanziert haben, haben im Zweifelsfall einen anderen Blick bei der Einschätzung von kritischen Situationen und verfügen über mehr Resilienz als Kolleg:innen, denen diese Erfahrungen fehlen. Gleiches gilt z.B. auch für unternehmerische Erfahrungen aus einer eigenen Selbständigkeit oder einem ausgeprägten Unternehmertum in der eigenen Familie. Eindrücke aus verschiedenen Welten können somit gewinnbringend in die tägliche Arbeit einfließen und Mehrwerte für das gesamte Unternehmen generieren.

herCAREER: Was bedeutet Diversität für Dich, welche Rolle spielt sie bei der Auswahl von Bewerber:innen? Wie können Unternehmen davon profitieren?

Marc Wagner: Diversität bedeutet für mich, dass ich die Vielfalt von Menschen und deren persönliche Hintergründe als Fundament für ihre Leistungs- und Anpassungsfähigkeit verstehe. Dabei sind mir zwei Aspekte besonders wichtig.
Erstens: Diversität breit zu verstehen – und dies jenseits von einschränkenden (und damit exkludierenden) Diskussionen in Bezug auf ein spezifisches Merkmal von Diversität. Andernfalls geht aus meiner Sicht ein großer Teil des Potenzials von diversen Teams verloren – wie z.B. die Betrachtung des sozialen Hintergrundes und persönliche Lebenserfahrungen wie z.B. der Umgang mit Krisen oder das Verständnis unterschiedlicher sozialer Kontexte.
Zweitens: Diversität positiv und inkludierend anzugehen. Was meine ich damit? Ich beobachte viele Diskussionen, bei denen es um die Benachteiligung bestimmter Gruppen geht oder darum, Diversität als „notwendiges Übel“ halt auch mit berücksichtigen zu müssen. Ich würde dabei die Diskussion gerne umkehren: Diversität ist nicht nur etwas unglaublich Positives und eine persönliche Bereicherung für jede:n von uns (denn ich lerne ja durch die vielfältigen Erfahrungen einer diversen Gruppe viel Neues). Vielmehr werden in der Zukunft nur noch die Unternehmen erfolgreich sein, die Diversität mit offenen Armen aufnehmen und in ihrem Unternehmen und bei der Zusammensetzung ihrer Belegschaft konsequent umsetzen. Denn letztlich macht gerade in Zeiten künstlicher Intelligenz und zunehmender Technologisierung das kreative Potenzial von Menschen den Unterschied – und Kreativität speist sich aus einer Vielfalt von Erfahrungen und Hintergründen.

herCAREER: Bei herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Sparringspartner:innen aufsetzt. Zu welchen Themen kannst Du im Vorfeld / auf der Messe / im Nachgang als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?

  • New Work & Zukunft der Arbeit
  • Agile Organisation und Leadership
  • Employee Experience und People Management
  • Selbständigkeit vs. Unternehmensberatung vs. Linien-Verantwortung

herCAREER: Gibt es Themen, zu denen Du persönlich eine Sparringspartner:in suchst und einen fachlichen wie persönlichen Austausch weiterführen möchtest? Dann benenne uns Schlagworte für Deine Themen.

  • Was bedeutet Diversität und was muss wirklich passieren (auch im Sinne von Rahmenbedingungen), damit Unternehmen das Thema mit Ernsthaftigkeit verfolgen?
  • Was sind Anforderungen unterschiedlicher (insbesondere „junger“) Generationen an die Arbeitswelt? Was sind insbesondere Anforderungen von Frauen an die Arbeitswelt und Gestaltung von Arbeit? Wie ist hier auch der Blick auf Karriere, Karrierepfade etc.?

herCAREER: Würdest Du auch als Mentor:in bei herCAREER fungieren? Welche Frau würdest Du dir als Mentee wünschen?

Marc Wagner: Eine Mentee, die „Bock hat“, Neues zu lernen und ihr persönliches Potenzial zu entfalten, die Fortschritt und neue Entwicklungen als Chance begreift und versucht, das Positive in jeder Entwicklung zu begreifen.

Zur Kontaktaufnahme bitte die von der Interviewpartner:in angegebenen Möglichkeiten nutzen und sich auf das Interview  bei herCAREER-Learn & Connect beziehen.

Über die Person

Marc ist ausgewiesener Experte rund um die Themen Employee Experience & New Work und wurde 2018 / 2020 / 2022 als Top HR Influencer (Personalmagazin) und unter die Top 25 New Worker (Workpath) gewählt.

Dieses Interview bezieht sich auf ein MeetUp der herCAREER Expo 2023, Ort und Zeitpunkt finden Sie im Programm.

Beziehe Dich auf das Interview der herCAREER-Community und nutze eine Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme, die der/die Interviewpartner/in angegebenen hat. Das Angebot für ein Sparring bezieht sich auf einen lockerer Austausch. herCAREER fungiert damit als Brückenbauerin. Nimm gerne die Einladung für den Austausch an. Du musst dafür nichts direkt an Deine Sparringspartner/in zurückgeben, kannst Dich aber gerne an anderer Stelle im Netzwerk mit Deiner Expertise einbringen.

Bewirb Dich mit max. einer DINA4-Seite über Dich und Deine Motivation zu dem Mentoring – zusammen mit Deinem  Lebenslauf oder Link auf Dein Xing- oder LinkedIn-Profil. Nutze dafür die von dem/der Mentor/in angegebenen Kontaktmöglichkeiten. Die Mentorin steht Dir je nach Bedarf für bis zu drei (Video-)Treffen für einen Austausch zur Verfügung. Bitte beachte, dass der/die Mentor/in selbst entscheidet, welche und wie viele Mentees sie zulassen können.

Nutze die Möglichkeit und bewirb Dich! Vielleicht kannst Du schon in Kürze ein/e Mentor/in aus der herCAREER-Community an Deiner Seite wissen.