Wie stark wird unser Handeln – bewusst oder unbewusst – durch Klischeedenken beeinflusst? Dieses Thema möchte Simone Bock mit Ihnen diskutieren. Man könnte die Hypothese aufstellen, dass insbesondere Simone Bock als Chief Information Officer mit vielen Klischees zu kämpfen hat – Simones Erfahrung ist jedoch eine andere: Ihre Leidenschaft für die IT, eine klare Vorstellung über das, was sie erreichen möchte und das Vertrauen in ihre Kompetenzen haben ihre Karriere beflügelt und potenzielle Klischees erst gar nicht entstehen lassen.

„Vorurteile treten nicht nur auf der persönlichen Ebene auf, sondern auch in Gruppen“

herCAREER: Wie stark beeinflussen uns Klischees in unserem Handeln?

Simone Bock: Klischees haben sehr viel mit „unconscious bias“ – also einer unbewussten Voreingenommenheit – zu tun. Sie beeinflussen sehr stark unser Handeln.

Es ist mittlerweile bewiesen, dass dies nicht nur mit psychologischen und soziologischen Zwängen zu tun hat, sondern ein evolutionärer biologischer Prozess ist. Zweck dieses Prozesses ist es, Ressourcen des Gehirns zu schonen. Der Prozess wirkt wie ein Wahrnehmungsfilter, der Neues mit bereits Gespeichertem und Erlerntem vergleicht. Der Rest wird nicht bearbeitet.

Daher haben wir alle blinde Flecken unabhängig von Geschlecht, Bildung, sozialem Status oder sonstigen Merkmalen. Klischees bilden sich dann, wenn man dieses Phänomen nicht bewusst macht und immer wieder in dieses Muster verfällt. Ein gutes Beispiel: Neugeborene männliche Babys erhalten meist blaue Socken, blaue Strampler und blaue Mützchen, weibliche Babys hingegen alles in Rosa. Dieses Muster bzw. Klischee hat sich fest bei uns verankert. Die wenigsten setzen sich damit auseinander, warum dies so ist bzw. warum man es nicht andersherum macht.

Von dieser Sorte gibt es noch viel mehr:

  • Mädchen können Sprache, Jungs können Mathe
  • Mädchen können Musik, Jungs können Sport
  • Mädchen sind gut in sozialen Berufen, Jungs gut in der Informatik
  • Mädchen sind gute Mütter, Jungs gute Chefs

Vorurteile treten nicht nur auf der persönlichen Ebene auf, sondern auch in Gruppen, Organisationskulturen und in ganzen Gesellschaften, z. B. als implizite Normen, als Karriere-Barrieren, als Rollenbilder und in Machtstrukturen.

So ist etwa das über Jahrzehnte institutionalisierte Vorurteil der festen Rollenerwartung an Männer und Frauen einer der wichtigsten Gründe für die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen.

herCAREER: Wie sieht Ihre eigene Erfahrung aus, was Klischeedenken angeht?

Simone Bock: Ich hatte das Glück, in einer Familie aufzuwachsen, in der schon von klein auf unterschiedliche Nationalitäten ein- und ausgegangen sind. Hier habe ich gelernt, dass es egal ist, woher die Menschen kommen. Und das zwei Menschen, die aus Italien kommen, nicht zwangsläufig gleich handeln, gleich denken und jeden Tag Spaghetti essen.

Ein weiterer Aspekt, der meine Haltung und meinen Umgang mit Klischees sehr positiv beeinflusst hat, ist der Leistungssport (Tennis), den ich betrieben habe. Aufgrund der wenigen Mädels in meinem Umfeld habe ich sehr früh ständig mit Jungs trainiert, bin schon als angehender Teenager mit bestimmten Rollenbildern, Ritualen und Verhaltensweisen konfrontiert worden und konnte spielerisch lernen, damit umzugehen.

Die Erfahrung in der Familie hat mich gelehrt, dass Klischees sehr häufig nicht zutreffen.

Die Erfahrung im Sport hat mich gelehrt, dass auch über einen selber stetig Klischees existieren. Man sollte sich dessen bewusst sein und dem proaktiv, mutig und mit einer Prise Humor begegnen.

herCAREER: Wie können Frauen an ihrer eigenen Einstellung arbeiten und den Mut aufbringen, berufliche Ziele zu verwirklichen?

Simone Bock: Sie müssen sich bewusst machen, dass Klischees stete Begleiter sind – Stichwort „unconscious bias“ –  und dass nicht nur die anderen, sondern auch man selber tagtäglich in Klischees denkt und manchmal handelt. Insbesondere in Stresssituationen, in denen Voreingenommenheiten verstärkt auftreten. Um „unconscious biases“ effektiv zu begegnen, müssen wir unsere eigenen Wahrnehmungen hinterfragen und Erfahrungen stetig neu bewerten. Hier ist Mut gefragt, sich einzugestehen, dass frau eine Person klischeehaft betrachtet hat. Es ist aber auch Disziplin gefragt, sich das Thema Schubladendenken und unbewusste Voreingenommenheit regelmäßig ins Bewusstsein zu rufen.

Zudem sollte man den Mut haben, Klischees, die Außenstehende formulieren – bewusst oder unbewusst -, direkt oder auch indirekt anzusprechen. Meine Erfahrung zeigt, dass dem Gegenüber oft gar nicht bewusst ist, dass er/sie in Klischees denkt. Das Babysocken-Klischee ist ein gutes Beispiel, ähnlich übrigens wie das Klischee, dass CIOs Männer sein müssen.

Wenn es um institutionalisierte Vorurteile oder Denkmuster geht, sind dickere Bretter zu bohren. Hier ist erst mal der Mut entscheidend, auch in ein kaltes, klischeebehaftetes Wasser zu springen. Wie im kalten Wasser ist auch hier der Neoprenanzug wichtig. Diesen Anzug kann man dadurch bilden, indem man Verbündete findet, sich mit Menschen in ähnlichen Situationen austauscht und sich gegenseitig unterstützt. Zudem hilft es, nicht alles persönlich zu nehmen, Feedback nicht eins zu eins zu übernehmen, sondern nur die Essenz herauszuziehen, die einen stärkt. Und zu guter Letzt: den Humor nicht verlieren!

herCAREER: Auf der herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Sparringspartnerinnen aufsetzt. Zu welchen Themen können Sie im Vorfeld / auf der Messe / im Nachgang als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?

  • Führung
  • Digitalisierung
  • Transformation
  • Organisationsentwicklung

herCAREER: Gibt es Themen, zu denen Sie persönlich einen Sparringspartner suchen und einen fachlichen wie persönlichen Austausch weiterführen möchten? Dann benennen Sie uns Schlagworte für ihre Themen.

  • C-Level Exchange
  • Aufsichtsratstätigkeit

Nutzen Sie eine der Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme, die die Interviewpartner:in angegebenen hat, und beziehen Sie sich auf das Interview der herCAREER-Community.

Über die Person

Simone Bock ist 45 Jahre alt und seit 2018 als Chief Information Officer (CIO) bei BNP Paribas Personal Investors Germany Austria (einer Einheit von BNP Paribas) tätig. Davor war sie insgesamt neun Jahre im Allianz Konzern in verschiedenen Positionen beschäftigt und u. a. für globale digitale Transformationsprojekte in leitender Funktion verantwortlich. Während ihres Studiums in den USA hat sie ihre Leidenschaft für die Implementierung von Software, damals war es SAP für die Universität, entdeckt. Die Auflösung des Spannungsfelds Altes Bewahren – Neues Gestalten im Zusammenspiel Mensch – Maschine fasziniert sie seither. Als ehemalige Leistungssportlerin hat sie in jungen Jahren gelernt, Widerstände als Herausforderung und nicht als Bedrohung zu bewerten und mutig Neues auszuprobieren. Ihre Erfahrungen möchte sie mit den Teilnehmerinnen in einem inspirierenden Austausch teilen und durch eine klare Message Mut machen: Erfolg und Karriere stehen in einem direkten Zusammenhang mit der eigenen Einstellung, einer Portion Mut und der Ambition, seinen Zielen nachzugehen und sie zu verwirklichen.

Dieses MeetUp ist Teil der Karriere-MeetUps bei der herCAREER 2021.