Lebenslauf individuell anpassen

herCAREER: Wie schaffen Frauen den (Wieder-)Einstieg in technische Berufe?

Reh: Wichtig ist zuallererst eine Art „Standortanalyse“: Jede Frau sollte eine klare Vorstellung davon erarbeiten, was sie will, wo sie in drei bis fünf Jahren sein möchte, was ihre sonstigen Prioritäten sind. Sie sollte sich Fragen stellen wie: Wie und wo will ich arbeiten oder wie viel Zeit möchte ich für Freunde und Verwandte haben? Wenn man es sich leisten kann, dann sollten Stellen, die zwar interessant sind, aber weniger als 50 bis 70 Prozent der Prioritäten erfüllen, links liegen gelassen werden.

Wichtig ist auch eine grundsätzliche Analyse des Arbeitsmarktes: Welche Stellen, die mir zusagen, gibt es in welchen Bereichen, bei welchen Arbeitgebern? Dazu zählt auch eine aktuelle, regelmäßige Marktbeobachtung – Zeitungen und besser Online-Portale (noch besser mit E-Mail-Service) sollten dafür beobachtet werden.

herCAREER: Worauf achten Personalverantwortliche besonders?

Reh: Meiner Meinung nach entscheiden Personalverantwortliche bei jeder Bewerbung über zwei Kernfragen. Das ist zum einen: Kann die Bewerberin die anstehenden Aufgaben gut bearbeiten, passt ihre Qualifikation? Welches Potential bietet die Person – und welche noch nicht vorhandenen Qualifikationen kann sich die Bewerberin bestimmt aneignen? Warum soll ich ausgerechnet diese Person einstellen? Zum anderen sind aber auch Fragen wichtig wie: Stimmt die Chemie, kann man sich gut vorstellen, mit der Bewerberin zusammen zu arbeiten? Würde sie zum Team passen?

Bei der Bewertung der Bewerbungsunterlagen dreht es sich zu etwa 80 Prozent um die erste Frage und zu 20 Prozent um die zweite. Im Bewerbungsgespräch ist es dann umgekehrt. Wer eingeladen wird, bekommt zuerkannt, dass die Qualifikation im Prinzip stimmt, sonst würde es keine Einladung geben. Dann geht es zu 80 Prozent darum, ob die Chemie stimmt. Das gilt umso mehr bei Neueinsteigern, die eher dafür eingestellt werden, was sei einmal werden können, als dafür, welche Qualifikationen sie schon haben.

Wenn Sie den Erfolg des Bewerbungsprozesses für die Phasen Bewerbung und Vorstellung optimieren möchten, dann sollten Sie sich also klar machen, worauf Personalverantwortliche bei den Bewerbungsunterlagen besonders achten. Hat sich die Bewerberin mit der Stellenanzeige und dem Stellenprofil auseinander gesetzt? Hat sie ein Qualifikations-Matching durchgeführt? Es ist deshalb sehr wichtig, die Stellenanzeige nach Kernaussagen und Anforderungen hinsichtlich Kenntnissen und Qualifikationen zu analysieren. Diese „Treffer“ müssen im Lebenslauf durch Stationen und Tätigkeiten belegt und hervorgehoben werden, Unnötiges und Irrelevantes muss dagegen raus gelassen werden. Mehr ist nicht immer mehr! Das bedeutet konkret: Der Lebenslauf muss individuell angepasst werden. Wenn das gemacht wurde, sieht man das – und wenn der Lebenslauf eine Postwurfsendung ist, dann leider auch.

Das Anschreiben sollte das Bild abrunden. Hier kann man die allerwichtigsten Treffer aus dem Lebenslauf aufgreifen, aber man darf den Lebenslauf nicht noch einmal wiederholen. Das bedeutet konkret: Auch das Anschreiben muss individuell erstellt werden. Auch hier kann man diejenigen, die sich die Mühe gemacht haben, von denjenigen, die eine Postwurfsendung abgeschickt haben, einfach auseinander halten.

Der mentale Fokus der Aussagen in den Bewerbungsunterlagen muss sein: Was kann ich und weshalb sollte mich der Arbeitgeber anderen Bewerbern vorziehen? Warum wäre es für den Arbeitgeber gut, wenn er ausgerechnet mich einstellt?

Beim Vorstellungsgespräch achten Personalverantwortliche dann besonders darauf, ob sich die Bewerberin vorbereitet hat und ins Team passt. Wichtig ist ein selbstsicheres, aber nicht überhebliches Auftreten. Bleiben Sie authentisch! Jede sollte sich auch auf den Arbeitgeber und dessen Umfeld vorbereiten und die Webseite des potentiellen Arbeitgebers studieren: Was machen die? Was sind wichtige Themen für den Arbeitgeber? Auch einige eigene Fragen sollten vorbereitet sein, die man aber nicht ablesen sollte.

herCAREER: Wie hat es bei Ihnen geklappt?

Reh: Gerade im technischen Bereich half die Lektüre der VDI Nachrichten ungemein. Zudem habe ich Bücher zum Bewerbungsprozess gelesen, an Bewerbertrainings und Assessment Centern teilgenommen und mich so vorbereitet – das heißt, was ich eingangs empfohlen habe, habe ich auch selbst so umgesetzt. Das war eine sehr intensive Erfahrung. Die richtige Stelle zum richtigen Zeitpunkt zu finden war zwar einfach Glück, aber ohne gute Vorbereitung hätte ich genau diese Stelle vielleicht nicht bekommen.

herCAREER: Wie baut man sich ein Netzwerk auf?

Reh: Man kann sich zum Beispiel durch Exkursionen Einblicke verschaffen. Es ist auch empfehlenswert, mithilfe von Praktika Kontakte zu knüpfen. Bei Praktika sollte man aber nicht nur den Job „erledigen“, sondern auch den persönlichen Austausch mit Kollegen, Kolleginnen und Entscheidungsträgern suchen. Es ist ratsam ein Profil bei Xing und LinkedIn anzulegen. Dabei sollte die Qualifikationen gut beschrieben sein und das Profil soll einen Eindruck von der Person vermitteln.

Über die Person

Prof. Dr.-Ing. Stefan Reh, Gründungsdirektor am Institut für Test und Simulation für Gasturbinen (SG) beim Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), schaut sich beim vom deutschen Ingenieurinnenbund (dib) e.V. präsentierten MeetUp „Frauen in technischen Berufen: alle haben Stellenangebote, aber welche Stellenprofile passen zu mir? Für Ein-, Um- & Wiedereinsteigerinnen“ mit den Teilnehmer/-innen an, wen die Unternehmen konkret jeweils tatsächlich suchen, und wie dann die Auswahl praktisch getroffen werden kann. Das soll es den Bewerberinnen leichter machen, sich gezielter und erfolgversprechender auf wirklich passende Stellen zu bewerben. Das MeetUp soll für Studentinnen, Einsteigerinnen, Wiedereinsteigerinnen und auch Berufserfahrene außerdem die Möglichkeit zum Netzwerken und zum Austausch unter Fachfrauen bieten.