Viele Menschen genießen Privilegien, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dr. Emilia Roig, Politologin und Gründerin des Center for Intersectional Justice (CIJ) in Berlin, möchte das ändern: Sie geht historisch gewachsenen Ungerechtigkeiten nach und bringt herkömmliche Denkmuster ins Wanken. Mit ihrem Buch „Why we matter“ kommt sie am 16. September 2021 zum Authors-MeetUp der Messe herCAREER nach München.

„Der Kampf für Gerechtigkeit ist ein Kampf um Gerechtigkeit für alle“

„Privilegien entstehen durch eine Kodifizierung: Es gibt in jeder Gesellschaft eine unsichtbare, als überlegen konstruierte Norm, die bestimmte Menschen repräsentieren“, erklärt Dr. Emilia Roig. Die Autorin des Buches „Why we matter“ beschäftigt sich intensiv damit, wie historisch gewachsene Zustände und unbewusste Glaubenssätze im Alltag zu Diskriminierungen führen, die sich überlappen und hartnäckig halten.

Auf alle, die ähnliche Merkmale besitzen, werden laut ihrer Erkenntnisse bestimmte Annahmen projiziert, die positiv geladen sind. In einem Vorstellungsgespräch etwa gelte ein weißer Mann automatisch als professioneller als auf eine schwarze Frau. Auch Eigenschaften wie Erfolg, Vertrauen oder Schönheit sind laut der Gründerin des Center for Intersectional Justice (CIJ) in Berlin eng mit bestimmten Merkmalen wie Geschlecht, Hautfarbe, sexuelle Orientierung oder soziale Klasse verbunden.

Wissenschaftlerin, Queer, Mutter, Women of Color, Jüdin, Französin, Deutsche – Emilia Roig vereint selbst verschiedene Merkmale in sich. Deshalb kennt sie gleichermaßen Situationen, in denen sie privilegiert oder diskriminiert wird – jeweils abhängig vom Kontext. „Privilegien sind Botschaften, die wir schon seit der Kindheit verinnerlicht haben.“ Menschen, die der Norm entsprechen, entwickelten so eine gewisse Art von meist unbewussten Überlegenheitsgefühlen.

Diese Konditionierung könne zu Widerständen und Wut führen, wenn jemand auf Privilegien angesprochen werde. Heftige Abwehrreaktionen erklärt die Politologin nicht nur mit Angst vor Machtverlust. Auslöser sei oft auch die Befürchtung, dass die Diskriminierungen, die bisher gegen andere gerichtet waren, sich nun gegen einen selbst richten könnten. Dem widerspricht Emilia Roig ganz klar: „Menschen, die sich gegen Rassismus oder Sexismus wehren, wollen auf keinen Fall andere unterdrücken. Der Kampf für Gerechtigkeit ist ein Kampf um Gerechtigkeit für alle.“

Vor allem das Konzept der Meritokratie erschwere die Wahrnehmung von Privilegien: Menschen glaubten, dass sie im Arbeitsleben immer das bekommen, was sie verdienen – für Emilia Roig eine Illusion. „Dahinter steckt ein sehr machtvoller Diskurs, der uns erlaubt, Ungleichheiten zu tolerieren. Das Narrativ macht uns glauben, dass diejenigen, die erfolgreich sind, ihren Erfolg verdienen – durch ihr Talent, ihre Intelligenz, ihren Fleiß oder ihre Werte.“ Wer keine Karriere mache, habe demnach einfach nicht so viel geleistet. Dies hieße auch, dass die Erfolgreichen in unserer Gesellschaft auch die Intelligentesten sind. Doch Nobelpreise etwa bekommen zu 90 Prozent Männer. Sind Männer also intelligenter als Gruppe? „Diese Annahme ist problematisch, weil sie die systemischen und historischen Gründe ausblendet, die weitestgehend unsere Schicksale beeinflussen.“

Um Ungerechtigkeiten bewusst zu machen, braucht es Dr. Emilia Roig zufolge innere Arbeit – für jeden Einzelnen und für alle als Kollektiv. „Wir können die Gesellschaft nur ändern, wenn wir uns selbst ändern.“ Der erste Schritt zur Veränderung besteht für die Autorin darin, Unterdrückungsmechanismen überhaupt zu bemerken – im persönlichen Umfeld ebenso wie am Arbeitsplatz.

Wie sich Menschen in Unternehmen und darüber hinaus der Debatte stellen können, erläutert Dr. Emilia Roig am Donnerstag, 16. September 2021 um 16.40 Uhr auf dem Authors-MeetUp der herCAREER, die vom 16. bis 17. September im MOC München stattfindet. Weitere Informationen zu den Autor:innen, die Gäste der herCAREER sind, finden Interessierte unter www.her-career.com.

Über die Person

Emilia Zenzile Roig ist Gründerin und Direktorin des Center for Intersectional Justice (CIJ). Sie promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin und an der Science Po Lyon. Aufgewachsen in Frankreich fing sie an, angewandte Fremdsprachen zu studieren, bevor sie fürs Jura-Studium nach London wechselte, wo sie einen MBA in International Law and Business absolvierte. Sie lehrte in Deutschland, Frankreich und den USA Intersektionalität, Critical Race Theory und Postkoloniale Studien sowie Völkerrecht und Europarecht. Emilia Roig hält Keynotes und Vorträge zu den Themen Intersektionalität, Feminismus, Rassismus, Diskriminierung, Vielfalt und Inklusion und ist Autorin zahlreicher Publikationen auf Deutsch, Englisch und Französisch. Sie ist Interviewpartnerin in Sibylle Bergs Bestseller „Nerds retten die Welt“ und war Jury-Mitglied des Deutschen Sachbuchpreises 2020. Ihr Buch „Why we matter. Das Ende der Unterdrückung“ ist im Februar 2021 im Aufbau Verlag erschienen.

Im Interview mit der herCAREER sprach Emilia Roig über Privilegien, wie wir sie erkennen und warum das die Welt verändern könnte.

Ab Mitte Juli veröffentlicht die herCAREER das komplette Programm und die Ausstellerliste der Messe unter www.her-career.com.