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Statt für Blockbuster wie „Barbie“ und „Oppenheimer“ begeisterten sich 5,5 Millionen Italiener:innen im Herbst 2023 für einen Schwarzweißfilm über häusliche Gewalt. Wochenlang stand er auf Platz 1 der Kinocharts. (RND)

„Morgen ist auch noch ein Tag“: die Geschichte der Italienerin Delia im Jahr 1946, die unter einem gewalttätigen Mann leidet und ihre fünfköpfige Familie samt Schwiegervater unter schwierigen Umständen durchbringt. Trotz all der Gewalt vermittele der Film eine optimistische Botschaft, so die NZZ. Denn er handele auch von Selbstermächtigung (ZEIT ONLINE).

EDITION F sprach mit Paola Cortellesi, der Regisseurin, Co-Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin der Tragikomödie.  „In Italien gibt es eine große Sensibilisierung für dieses Thema, da #Femizide  gezählt – etwa alle 72 Stunden wird eine Frau von einem Mann getötet – und medial diskutiert werden. Ich habe mit dem Film also einen Nerv getroffen“, sagt sie.

Kurz nach Filmstart wurde die 22-jährige Giulia Cecchettin von ihrem Ex-Freund ermordet. Ihre Schwester schrieb laut ZEIT in einem Offenen Brief: Die Männer, die Femizide begehen, seien keine Monster. „Sie sind nicht krank, sie sind gesunde Söhne des Patriarchats, der Vergewaltigungskultur (…) Femizid ist Mord durch den Staat, denn der Staat schützt uns nicht. Femizid ist kein Verbrechen aus Leidenschaft, sondern ein Verbrechen der Macht.“

Cortellesi im Interview: „Auf Papier haben wir Gesetze, die uns ein gleichberechtigteres Leben ermöglichen sollen, frei von Unterdrückung und Gewalt. Doch die kulturelle Mentalität passt sich dem nur sehr, sehr langsam an.“

Das Bewusstsein, dass Frauen es bis ganz nach oben schaffen können, sei vielleicht größer als je zuvor in der jüngeren Geschichte Italiens, so die NZZ. Der Anteil der Frauen mit Hochschulabschluss liege mit 23 % deutlich über dem der Männer (gut 17 %). An der Spitze der Regierung steht eine Frau – allerdings die Postfaschistin Giorgia Meloni mit entsprechendem Welt- und Rollenbild. Auch die Opposition wird von einer Frau geführt: Elly Schlein. Und Liliana Segre, Holocaust-Überlebende und Senatorin auf Lebenszeit, ist „so etwas wie das moralische Gewissen der Nation“ (NZZ).

Doch der „maschilismo“, der männliche Chauvinismus, sei noch längst nicht aus dem italienischen Alltag verschwunden. 4 von 10 Frauen (v.a. in „bildungsfernen“ Schichten, im Hinterland und im Süden) verfügen nicht über ein eigenes Bankkonto; 37.000 Frauen gaben 2022 ihren Job auf, als sie Mütter wurden; die Renten der Frauen liegen um 36 % unter denen der Männer. Die Frauenerwerbsquote ist die zweitniedrigste in Europa.

Kurz nach dem Mord an Giulia Cecchettin gingen laut ZEIT in ganz Italien Zehntausende unter dem Motto „Nicht eine weniger“ auf die Straße.
Eine Demonstrantin in Rom trug den Screenshot einer Szene des Films, in der Delia zu ihrer frisch verlobten Tochter sagt: „Für dich ist es noch nicht zu spät.“ Die Tochter antwortet: „Für dich auch nicht, Mama.“

herVIEW - Natascha Hoffner

Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I WiWo-Kolumnistin I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I W&V 2019 – 100 Köpfe
veröffentlicht bei LinkedIn 17.04.2024