Dilek Gürsoy ist nicht nur Medizinerin des Jahres 2019 und die erste Herzchirurgin Europas, die ein Kunstherz transplantiert hat. Sie ist auch Gastarbeiterkind und als Herzchirurgin in einer Männerdomäne als unbeirrbare Frau alleine auf weiter Flur. Dilek Gürsoy hat eine beeindruckende Karriere hinter sich und verfolgt ein visionäres Ziel. Auf der herCAREER 2021 wird sie über ihr gerade erschienenes Buch „Ich stehe hier, weil ich gut bin“ sprechen.
„Kein männliches Ego bringt mich von meinem Ziel ab“
Dr. Med. Dilek Gürsoy, Tochter türkischer Gastarbeiter, hat mit Kampfgeist, Ehrgeiz und Diplomatie ihre Karriere beharrlich verfolgt. Der Vater verstarb früh an einem Herzinfarkt, die Mutter arbeitete rund 47 Jahre lang am Fließband und versorgte drei Kinder. Im Medizinstudium offenbarte sich ihr bei dem Besuch einer Herzoperation im ersten Semester der Wunsch, Herzchirurgin werden zu wollen – eine Domäne, in der es vor zwanzig Jahren wie heute kaum Frauen gab. Dilek Gürsoy wollte sich nicht auf den hart verdienten Lorbeeren der Eltern ausruhen – sie arbeitete sich von der Assistenz- über Fach- zur Oberärztin hoch. Im Team des renommierten Herzchirurgen Prof. Dr. Reiner Körfer reüssierte sie in der Kunstherzchirurgie. Nach diversen Stationen bei Herzkliniken wie in Bad Oeynhausen, Essen, Duisburg, Bremen oder zuletzt Siegburg verfolgt Dilek Gürsoy ihren Traum von der eigenen Herzklinik: „ Ich möchte für schwerstkranke Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ein eigenes Kompetenzzentrum einrichten, als Anlaufstelle mit der größtmöglichen Expertise – sowohl chirurgisch und postoperativ als auch psychologisch“, erzählt sie der herCAREER im Interview. An junge Frauen appelliert sie: „Traut euch, Chefin werden zu wollen und fordert euer Recht ein.“
Erfolgsrezept: Fleiß, Selbstbewusstsein, Diplomatie
Dilek Gürsoy selbst sieht als ihr Erfolgsgeheimnis unermüdlichen Fleiß, aber auch Selbstbewusstsein. Den jungen Chirurgie-Anwärterinnen rät sie, auf ihr Talent und ihr Können diplomatisch, aber auch bestimmt aufmerksam zu machen: „Seid selbstbewusst, aber rückt bitte nicht die Ellbögen raus.“ An die gläserne Decke für Frauen hat die Medizinerin selbst früher nicht geglaubt, allerdings sieht sie das heute anders: „Solange du im System mitgehst und mehr oder weniger die Klappe hältst, ist alles okay. Sobald du aber eine Idee, eine Vision, hast und etwas einforderst, wird das zum Problem.“ Schon während des Studiums hörte Dilek Gürsoy mahnende Worte: „Klar wird die Chirurgie dir als Beruf madig gemacht, dann heißt es: du kriegst keine Kinder, kriegst keinen Mann, heiratest nicht, hast kein Privatleben.“ Im Laufe ihrer Karriere beobachtete sie immer wieder, wie Frauen, die nach ihr kamen, von ihrem ursprünglichen Berufsziel, Chirurgin zu werden, Abstand nahmen: „Ich habe mir immer gesagt: Kein männliches Ego wird mich davon abbringen, meine Ziele zu verfolgen.“
Gerade in der Herzchirurgie gebe es viele männliche Chefs, die die Arbeitsstrukturen vorgeben würden: „Es heißt dann: Eine Herzchirurgin muss in Vollzeit arbeiten – das ist doch Quatsch. Man kann durchaus pünktlich die Klinik verlassen, das ist eine Sache der Organisation und des Teams.“ Nicht nur das System, auch das Berufsbild der ChirurgInnen müsse sich auch wieder in Richtung Menschlichkeit verändern: „Der Patient muss als Mensch im Mittelpunkt stehen. Auch die Wertschätzung zwischen ÄrztInnen und Pflegeperson muss wieder steigen.“
Mit ihrer Arbeit möchte sie jungen Frauen auch Steine aus dem Weg räumen. Wichtig sei dabei aber auch: „Wir Frauen müssen wollen und auch sagen, dass wir es wollen – nur so können wir die Lage ändern.“ Ihr Rat für junge Frauen lautet daher: „Fokussiere dich stets auf dein Ziel, egal, was andere sagen.“
Dilek Gürsoys Buch „Ich stehe hier, weil ich gut bin. Allein unter Männern: Eine Herzchirurgin kämpft sich durch“ erschien am 4. September 2020 im Eden Books Verlag im Buchhandel.
Auf der herCAREER 2021, der Karrieremesse für Frauen, wird sie im Authors Meetup über ihr Buch und ihre beeindruckende Karriere sprechen.
Über die Person
Sie setzte als erste Frau in Europa einem Patienten ein komplettes Kunstherz ein. Entwickelt derzeit ein neues Kunstherz mit.
Im Interview mit der herCAREER verrät Dilek Gürsoy, wie sie sich gegenüber anderen durchgesetzt hat, um so weit zu kommen, wie sie zum Berufswunsch Chirurgin kam und wie sie auf die Idee kam, gemeinsam mit einer Journalistin ein Buch über ihre Erfahrungen als Frau in einer Männerdomäne zu schreiben.