Gleichstellung von Frauen in Beruf und Gesellschaft
Fokuswechsel statt Geschlechterkampf! Dafür plädiert Dr. Monique R. Siegel, Vordenkerin, Publizistin und Wirtschaftsethikerin, die seit vielen Jahren in der Schweiz lebt. Sie setzt sich für die Gleichstellung von Frauen in Beruf und Gesellschaft ein – und plädiert für eine ganz neue Zeitrechnung im Geschlechterverhältnis. Fernab von Quote oder schwierigen Debatten um Vereinbarkeit und Kinderbetreuung will sie ein stärkeres Selbstbewusstsein für Frauen. „Frauen dürfen nicht länger aus der Froschperspektive hochschauen und hoffen, dass sie mitspielen dürfen, sondern sollten ihre Verantwortung wahrnehmen“, sagt sie. „Wir brauchen neue Lösungen. Die entstehen, wenn wir endlich die Differenz der Geschlechter in den Mittelpunkt stellen. Wie sieht der männliche Lösungsansatz aus? Was ist die weibliche Sicht der Dinge? Aus den beiden Sichtweisen kann man dann einen dritten Lösungsansatz erarbeiten.“
Denn wir sind schon mittendrin im „Female Shift“, dem „Megatrend Frau“ – weltweit: „Noch nie hat es eine Generation so gut ausgebildeter Frauen gegeben! Und viele sind besser ausgebildet als die Männer.“ Dass Wirtschaft und Arbeitgeber das noch nicht viel stärker für sich nutzen, ist für Siegel unverständlich. „Industrie und Gewerbe scheinen die Frauen noch zu übersehen. Dabei sollte man sich freuen!“ Ein Gefallen an die Frauen sei das aber ganz und gar nicht: Es sei doch bekannt, dass Unternehmen profitabler sind, wenn gemischte Teams an der Spitze sind, betont sie.
Siegel vertritt eine klare Haltung im Verhältnis der Geschlechter, denn immerhin sind 51 Prozent der Weltbevölkerung weiblich. „Ich verstehe einfach nicht, wie 49 Prozent der Menschheit den 51 Prozent Vorschriften machen wollen.“ Deshalb seien auch Quoten nicht sinnvoll: „51 Prozent der Menschheit lassen sich doch keine Quote aufdrücken!“
Lesen Sie nachfolgend das Interview, dass wir mit Dr. Monique R. Siegel führen durften.
Sie haben sich schon sehr früh mit dem Thema Frauen in der Arbeitswelt befasst, besonders mit Pionierprojekten für die Integration von Frauen in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur. Wie kam es dazu?
Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und darüber hinaus ein positives Frauenbild: meine Mutter und die Trümmerfrauen der Nachkriegszeit. Ich konnte noch nie verstehen, dass Frauen weniger wert sein sollten! Und so habe ich bereits ab den frühen 70er Jahren Bildungsprojekte für Frauen gestartet, unter anderem 1985 bis 1996 das internationale Management-Symposium für Frauen.
Warum beginnt jetzt das Zeitalter der Frauen?
Noch nie hat es eine Generation so gut ausgebildeter Frauen gegeben! Und viele sind besser ausgebildet als die Männer, denn während die Mädchen auf die Fördermaßnahmen angesprochen haben, fanden die Jungs Computerspiele interessanter und ihnen fehlten die Väter als Vorbilder.
Frauen bringen alles mit, was Männer auch mitbringen, aber sie haben noch weitere Skills: Sie können gut Streit schlichten, sie können andere Lösungen finden, sie kommen leichter mit kleinen Budgets klar. Insgesamt erzielen sie bessere Ergebnisse in Konflikten. Und sie sind näher am Konsum: 80 Prozent aller Konsumentscheidungen weltweit werden von Frauen getroffen!
In der Führung sind Frauen mitarbeiterorientierter. Ich denke, das liegt daran, dass sie sich den Weg nach oben haben erarbeiten müssen und wissen, wie mühsam das ist. Auch das Thema Fachkräftemangel wird immer wichtiger. Industrie und Gewerbe scheinen aber die Frauen noch zu übersehen. Dabei sollte man sich freuen, denn es ist erwiesen: Gemischte Teams an der Firmenspitze machen ein Unternehmen profitabler.
Warum spielen gerade die Geschlechter eine so große Rolle?
Das Geschlecht spielt seit Jahrzehnten eine große Rolle – wir sind nur noch nicht weit gekommen. Aber wenn wir über Megatrends wie den Female Shift sprechen, dann schauen wir immer Entwicklungen an, die nicht von heute auf morgen vonstatten gehen.
Fakt ist doch: Wir sind 51 Prozent der Weltbevölkerung, wir sind besser ausgebildet, kreativ, lösungsorientiert – und trotzdem tun Männer noch immer so, als täten sie uns einen Gefallen. Frauen sind flexibler, weil sie sich öfter auf Neues einstellen müssen, unter Umständen ja auch auf eine Schwangerschaft und was könnte einschneidender als ein Kind sein! Ich verstehe einfach nicht, wie 49 Prozent der Menschheit den 51 Prozent Vorschriften machen wollen.
Allerdings: Für Geschlechterkampf haben wir keine Zeit mehr! Noch nie in der Geschichte der Menschheit hat es eine solche Dichte und Gleichzeitigkeit von Krisen und Konflikten gegeben. Und dafür brauchen wir neue Lösungen. Die entstehen, wenn wir endlich die Differenz der Geschlechter in den Mittelpunkt stellen. Wie sieht der männliche Lösungsansatz aus? Was ist die weibliche Sicht der Dinge? Wahrscheinlich ziemlich anders. Aus den beiden Sichtweisen kann man dann einen dritten Lösungsansatz erarbeiten.
Viele Frauen beklagen sich aber, dass sie in Sitzungen gar nicht zum Zug kommen, ausreden können oder ernst genommen werden.
Warum lassen sie sich das gefallen? Das gemeinsame Erarbeiten geht natürlich nur, wenn die beiden Geschlechter sich auf Augenhöhe begegnen! Frauen dürfen nicht länger aus der Froschperspektive hochschauen und hoffen, dass sie mitspielen dürfen, sondern sollten ihre Verantwortung wahrnehmen und dementsprechend auftreten – selbstbewusst, aber lösungsorientiert. Denn wie lange können wir es uns noch leisten, auf die Kreativität in den Köpfen der Frauen zu verzichten? Das ist der Grund, warum ich Anfang des Jahres den ThinkTank „Female Shift“ gegründet habe: um die weibliche Sicht miteinzubeziehen und Frauen ein Forum zu geben, wo sie ihre Verantwortung wahrnehmen können.
Ein großes Thema ist Vereinbarkeit von Familie und Beruf – und es ist noch immer vornehmlich ein Frauenthema. Wie können wir dieses Problem entschärfen?
Wir Frauen haben zugelassen, dass es ein so genanntes Frauenthema wird. Aber es gibt keine Frauenthemen, sondern nur gesellschaftspolitisch relevante Themen. Wir brauchen anständige Kinderbetreuung auf privater Basis – da sind die Unternehmen in der Pflicht und nicht der Staat. Und die Frauen – sie sollten cool damit umgehen, Lösungsvorschläge einbringen und sich daran erinnern, dass dieser Lebensabschnitt nur ca. ein Dutzend Jahre ein Thema ist, was angesichts einer Lebensdauer von 80-90 Jahren ja wohl nicht entscheidend sein kann.
Helfen soll die Quote. Wir haben lange gerungen um die Quote, doch so richtig voran geht es auch seitdem nicht.
Ich lehne die Quote ab. 51 Prozent der Menschheit lassen sich doch keine Quote aufdrücken! Wir sollten mit Leistung, Intelligenz und Verhandlungsgeschick plus Liebenswürdigkeit und Humor überzeugen – und ohne Dekolleté und Minirock.
Auf der herCAREER am 12. und 13. Oktober 2017 wird Dr. Monique R. Siegel eine Keynote mit dem Titel „Frauen und Zukunftsgestaltung: Zeit für einen Fokuswechsel“ halten und an einer Diskussion mit dem Titel „Systemfehler oder Schuld der Frauen? Über die Rahmenbedingungen weiblicher Karrieren“ teilnehmen. Sie wird außerdem als „Table Captain“ an der Netzwerkveranstaltung herCAREER@Night teilnehmen, wo sie den ganzen Abend für Gespräche zur Verfügung steht. Unter den Table Captains sind unter anderem auch Brigitte Zypries, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Dr. Elke Frank, Senior Vice President HR Development bei Deutsche Telekom AG und Dr. Dorothee Ritz General Managerin Microsoft Österreich GmbH.