„Junge Frauen werden immer linker, junge Männer immer rechter. Der Grund: Patriarchale Bedrohungsgefühle werden systematisch bewirtschaftet“, schreibt Markus Theunert im Tages-Anzeiger.

Von dem „Gender Ideology Gap“ war in meinem LI-Post vor zwei Wochen die Rede. Außer der Financial Times hatten weitere Medien das Thema aufgegriffen (kürzlich auch der Tages-Anzeiger unter der Überschrift „Junge Frauen haben keine Lust auf rechte Männer“).

Geschlechterforschung und Männerarbeit könnten das männliche Wegkippen nach rechts gut erklären, so Theunert, der sich seit über 20 Jahren mit diesen Themen befasst.

„Am Anfang steht die männliche Sozialisation: ‚Richtige Männer‘ müssen hart, stark, souverän und durchsetzungsfähig sein. Bis heute. Denn trotz aller Kritik haben sich Männlichkeitsimperative nicht im Kern gewandelt. Sondern bloß erweitert. Zusätzlich sollen Männer auch einfühlsam, sozial kompetent und achtsam sein. Diese Doppelbotschaft ist unerfüllbar, Orientierungslosigkeit die logische Folge.“

Theunert beruft sich auf aktuelle Untersuchungen: Während zwei Drittel der Männer auf unterschiedliche Art versuchten, sich „als Mann zu modernisieren“, fordere ein Drittel offensiv männliche Dominanz zurück. Für diese Männer bedeute Mannsein, den Ton anzugeben, kein Risiko zu scheuen, zuschlagen zu können und niemals Selbstzweifel, Bedürftigkeit und Gefühle zuzulassen. „Das Fundament dieser Überlegenheitsillusion bildet die Behauptung, Geschlecht sei gott- oder naturgegeben. Dass sich Macht und Geld in Männerhänden häufen, ist deshalb kein Ungleichheitsproblem, sondern Naturgesetz.“

Werde dieses Rollenbild in Frage gestellt, führe das zum Gefühl einer existenziellen Bedrohung. „Diese Männer glauben ernsthaft, sie seien Opfer eines ‚Gender-Terrors‘. Was im Einzelfall tragisch ist, wird politisch zur realen Gefahr für die offene Gesellschaft und die demokratischen Institutionen.“  Denn patriarchale Bedrohungsgefühle würden von rechts systematisch und strategiegeleitet bewirtschaftet. „Dabei zeigt sich global dasselbe Muster: Archaisch-wehrhafte Männlichkeit wird als göttlicher Auftrag überhöht, Gender, Vielfalt und Feminismus als teuflischer Plan abgewertet. Das ist eine verführerische Botschaft für verunsicherte Männer.“

Patriarchale Prägungen verhinderten die Einsicht, wie dringend Männer Unterstützung bräuchten, um „in Würde vom Sockel des Patriarchats steigen zu können.“ Wirksame Schutzfaktoren wären: „Bildung, (Selbst-)Liebe und männerspezifische Unterstützungsangebote“.

 Theunerts LI-Beitrag zu seinem Artikel kommentierte Franny Harald Berenfänger:

„Was es auch braucht: Neue Helden! Männer, die vor der Bestie ‚Die-Zeiten-Ändern-Sich‘ nicht flüchten. (…) Diese Zeit ist reif für neue Helden – für Männer, die den Ruf annehmen, unbekannte Welten zu entdecken. (…) Es braucht Männer, die der Verlockung widerstehen, beleidigt und gekränkt davonzurennen in die Arme seelisch und charakterlich deformierter Gurus und Politiker.“

herVIEW - Natascha Hoffner

Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I WiWo-Kolumnistin I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I W&V 2019 – 100 Köpfe
veröffentlicht bei LinkedIn 28.02.2024