Von der Chefärztin einer kardiologischen Reha zur Gründerin eines Start-ups: Das Dilemma der Herzinsuffizienz-Patienten führte zur Idee, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz eine App als ein schnell reagierendes Frühwarnsystem zu konzipieren. Ein solches System würde die Regelversorgung in puncto Herzinsuffizienz revolutionieren und die bestehende Versorgungslücke schließen. Die Idee zur Gründung eines Start-ups für eine KI-basierte Anwender-App war geboren. HERZ-HELD hat das Ziel, die Versorgungssituation von ca. 2,5 Mio. Menschen mit Herzinsuffizienz in Deutschland zu optimieren.

„Andere Sichtweisen, neue Ideen und der absolute Wille“

herCAREER: Was war Ihr größtes Learning aus dem Wechsel von der Chefärztin zur Gründerin?

Lauterbach: Zurzeit ist das eher ein permanentes Learning. Das größte Learning aus dem Wechsel ist eher von der Ärztin zur Gründerin. Ich habe sehr schnell festgestellt, dass ich meine Komfortzone definitiv verlassen habe. Plötzlich erwarten alle von mir, als knallharte Unternehmerin zu agieren. Als leitende Ärztin ist man zwar unternehmerisch verantwortlich und muss mit seinem Budget auskommen. Verantwortlich ist man jedoch nur gegenüber der Verwaltung. Die meisten Entscheidungen werden gemeinsam mit der Verwaltungsdirektion getroffen. Somit ist das Spannungsfeld zwischen der ökonomischen Sichtweise und der ethischen Betrachtung einer adäquaten Patientenbehandlung eine ganz andere. Allerdings ist die Gesundheitswirtschaft eine ganz andere Nummer – erst recht aus ärztlichen Augen betrachtet. Niedergelassene Kollegen beweisen seit Jahren, dass sie trotz vieler regulatorischer Hürden mit Bravour unternehmerisch tätig sein können. Der Fokus bleibt jedoch immer auf die Patienten gerichtet. Bei allen Entscheidungen, die getroffen werden müssen, gilt es ethisch-moralische Aspekte zu betrachten.
Als Gründerin wurde ich plötzlich damit konfrontiert, mit meinem „patientenorientierten“ Blick eine gute Geschäftsfrau zu werden. Meine „Kunden“ sind kranke Menschen. Es war ja die Not meiner Herz-Patienten, aufgrund eklatanter Versorgungslücken nicht optimal versorgt zu werden, die mich jetzt zur Gründerin machte. Es sind Patienten, denen ich eine „Dienstleistung“ nämlich eine Versorgungsoptimierung anbiete. Ärztin bleiben und zudem unternehmerisch eine hohe Verantwortung zu tragen, das muss kein Widerspruch bleiben. Es bedeutet im Wettbewerb stehen, innovativ sein und Wertschöpfung erzielen. Genau das wird mir gelingen, wenn ich die Wünsche meiner Patienten befriedige, nämlich ihr Leben zu verbessern.

herCAREER: Gibt es Dinge, die Sie aus Ihrer Zeit als Chefärztin vermissen?

Lauterbach: Ich vermisse den interdisziplinären Austausch, den ich zuletzt täglich in meinem Team und wöchentlich im Leitungsteam hatte. Der fachliche Austausch mit meinen Kollegen fehlt mir. Insbesondere vermisse ich den persönlichen Austausch, der ja unter langjährigen Mitarbeitern fast familiär ist. So ein Klinikleben ist sehr intensiv und es ergeben sich sehr freundschaftliche und sehr fürsorgliche Beziehungen im Laufe der Zeit. Last but not least: Mir fehlen meine Patienten. Ich habe meine Arbeit als Ärztin geliebt.

herCAREER: Welchen Rat würden Sie anderen Frauen geben, die aus einer Angestelltenposition ins Gründerleben wechseln wollen?

Lauterbach: Es ist eine ganz neue Situation. Plötzlich ist frau nicht für ein bestimmtes Projekt verantwortlich, sondern für ein ganzes Unternehmen. Ich würde unbedingt zunächst einen Stellenwechsel innerhalb des Angestelltenseins empfehlen. Das kann auch innerhalb des Unternehmens bzw. der Klinik sein, etwa in eine Abteilung, die budgetverantwortlich oder auch personalverantwortlich ist. Einfach mal eine andere Luft schnuppern. Wer jahrelang angestellt war und nicht budget- und personalverantwortlich tätig war, bekommt erst einmal ein ganz neues Gefühl für Verantwortung und erlangt eine ganz neue Sichtweise.
Falls das nicht möglich ist, empfehle ich das offene Gespräch mit neuen Gründern, etablierten Unternehmern, Verwaltungs- oder Klinikdirektoren zu ihren Erfahrungen. Diese Leute sind offen und teilen ihre Erfahrungen sehr gerne. Vor allem ist es sehr hilfreich, wenn über Niederlagen oder Scheitern offen gesprochen wird.
Kurz gesagt, gedanklicher Perspektivwechsel ist schon manchmal enorm hilfreich.
Andere Sichtweisen, neue Ideen und der absolute Wille, trotz vieler Hindernisse und Hürden weiterzumachen, sind essenziell für das Gründen eines Unternehmens.

herCAREER: Auf der herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Sparringspartnerinnen aufsetzt. Zu welchen Themen können Sie im Vorfeld / auf der Messe / im Nachgang als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?

  • Dual Career Couple
  • Vereinbarkeit von Familie und Karriere
  • Karriere mit Kindern
  • Frauen in Führungspositionen in der Medizin

herCAREER: Gibt es Themen, zu denen Sie persönlich eine/n Sparringspartner/in suchen und einen fachlichen wie persönlichen Austausch weiterführen möchten? Dann benennen Sie uns Schlagworte für ihre Themen.

  • Gründerinnen im Tech-Bereich
  • Austausch mit anderen Unternehmerinnen mit Erfahrungen im Tech-Bereich
  • Suchmaschinenoptimierung
  • Marketing
  • Sales
  • Tracking/Analytics

Wie können oder möchten Sie kontaktiert werden?

Über die Person

Nach dem Studium der Humanmedizin in Mainz 2004, war Frau Dr. med. Enise Lauterbach zunächst bis Ende 2008 in der Uniklinik in Mainz als Assistenzärztin in der Kardiologie tätig. Inzwischen zweifache Mutter machte sie im August 2012 ihren Facharzt in Innerer Medizin und Kardiologie in Trier an der Mosel. Sie spezialisierte sich auf die Behandlung von Herzrhythmusstörungen mittels Katheterablation. Ihr Fokus lag auf der Behandlung von Vorhofflimmern mittels Pulmonalvenenisolation. Ende März 2018 beendete sie ihre bis dahin in Akutkliniken klinische Tätigkeit und nahm als invasiv tätige Elektrophysiologin die Herausforderung an, eine ambulante kardiologische Rehabilitation in Trier zu etablieren und zu leiten. Ihre chefärztliche Tätigkeit kündigte Dr. Enise Lauterbach nach über einem Jahr zum Juli 2019, um die digitale Transformation der Behandlungsweise der Herzinsuffizienz zu gestalten.

Dieses MeetUp wurde präsentiert von F10 FemaleOneZero GmbH und war Teil der Karriere-MeetUps bei der herCAREER 2019, Ort und Zeitpunkt finden Sie im Programm.