Wir wissen ja, dass wir unterschiedlich sind, aber wir bemerken es nicht immer. Dabei sind verschiedene Eigenschaften in der Personalstruktur wichtig für ein gesundes Unternehmen. Und noch dazu ist das für potenzielle Geldgeber:innen eine zunehmend wichtige Frage. Worauf können junge Gründer:innen hier von Beginn an achten? Wie kann datenbasierte Einstellungspolitik zu einer besseren Unternehmensbildung führen? Unsere beiden Referentinnen sprechen über die wichtigsten Möglichkeiten moderner Personaldiagnostik.

Thema

Existenzgründung & Unternehmertum | Persönlichkeits- & Kompetenzentwicklung

Angaben zur Referentinnen

Die Diplom-Psychologin Birgit Permantier ist seit 1995 selbständige Trainerin, systemische Beraterin und Führungskräftecoach. Ihre Leidenschaft ist es Menschen, Teams und Organisationen in ihre Stärken zu führen und Entwicklungsimpulse zu setzen. Im Führungskräftecoaching hilft Sie Klient:innen ihre tiefen Lebensthemen aufzuspüren, Hindernisse aufzulösen und tiefere Kraftquellen freizulegen um in die Wirksamkeit zu kommen. Ihr Interesse gilt der Entwicklung von Bewusstsein für die Verbundenheit mit sich selbst, den Anderen und der Erde. Sie ist Mutter von 3 Kindern (16/19/22). Motto: Entweder wir finden einen Weg oder wir machen einen.

Charlotte von Bernstorff ist Professorin für Personalpsychologie an der BSP Business & Law School Berlin und berät Unternehmen zur Optimierung und Digitalisierung von Personalauswahl- und -entwicklungsprozessen. Nach dem Studium der Arbeits- und Organisationspsychologie und unterschiedlichen beruflichen Stationen im Personalbereich promovierte sie zu Effekten der Automatisierung für menschliches Erleben und Verhalten und forscht seitdem im Feld der sogenannten Predictive Analytics zur Qualität von datengestützten Personalentscheidungen und neuen Technologien in der Management- und Gründerdiagnostik. Ihr Ziel ist es, Studien mit unmittelbarer Relevanz für Personal- und Investitionsentscheidungen durchzuführen, wissenschaftliche Erkenntnisse gut verständlich zu kommunizieren und zu einer Verbreitung von fundierten Ansätzen und Vorgehensweisen in der Personaldiagnostik beizutragen.

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00:00:09-3 Moderation: Herzlich willkommen zum herCAREER Voice Podcast. Hier sind Sie richtig, wenn Sie diverse und vor allem weibliche Perspektive auf arbeitsmarktpolitische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen hören wollen. Lernen Sie dabei von Rolemodels, ExpertInnen und Insidern und nehmen Sie wertvolle Anregungen für Ihre eigene Karriereplanung mit. Mit herCAREER Voice fangen wir vielfältige Sichtweisen ebenso wie ganz persönliche Einblicke und Erfahrungen spannender Frauen ein. Von der herCAREER Expo live und aus der herCAREER Community.

00:00:42-1 Moderation: Unsere heutigen Speakerinnen sind zu zweit. Diplompsychologin Birgit Permantier ist seit 1995 selbstständige Trainerin, systemische Beraterin und Führungskräftecoach. Ihre Leidenschaft ist es, Menschen, Teams und Organisationen in ihre Stärken zu führen und Entwicklungsimpulse zu setzen. Charlotte von Bernstorff ist Professorin für Personalpsychologie an der BSP Business and Law School Berlin und sie berät Unternehmen zur Optimierung und Digitalisierung von Personalauswahl und Entwicklungsprozessen. Ihr Ziel ist es, Studien mit unmittelbarer Relevanz für Personal und Investitionsentscheidungen durchzuführen, wissenschaftliche Erkenntnisse gut verständlich zu kommunizieren und zu einer Verbreitung von fundierten Ansätzen und Vorgehensweisen in der Personaldiagnostik beizutragen. Im Podcast sprechen die beiden über die wichtigsten Möglichkeiten moderner Personaldiagnostik. Wir wissen ja, dass wir unterschiedlich sind, aber wir bemerken es nicht immer. Dabei sind verschiedene Eigenschaften in der Personalstruktur wichtig für ein gesundes Unternehmen. Und sie stellen sich fragen wie, worauf können etwa GründerInnen hier von Beginn an achten? Oder wie kann datenbasierte Einstellungspolitik zu einer besseren Unternehmensbildung führen.

00:02:11-2 Birgit Permantier: Ja, ganz ganz herzlich willkommen Professor Dr. Charlotte Gräfin von Bernsdorf. Wir sind heute hier bei der herCAREER Messe und haben die außergewöhnliche Gelegenheit mit dieser wundervollen Geräuschkulisse unseren Podcasts aufzunehmen hier bei ich, wir, alle. Super, dass du da bist. Und wir haben heute ein faszinierendes Thema, nämlich Personaldiagnostik, insbesondere für GründerInnen. Das ist also ein ganz spannendes Thema. Und ich stelle dich jetzt erst mal vor und du kannst das sehr gerne ergänzen liebe Charlotte. Also du bist Professorin für Personalpsychologie an der Businessschool in Berlin, und zwar halbtags. Und die andere Zeit verwendest du auf Kinder und auf Coaching.

00:02:56-1 Charlotte von Bernsdorff: Genau und auf Beratung.

00:02:57-2 Birgit Permantier: Du hast echt ordentlich zu tun. Beratung.

00:02:58-6 Charlotte von Bernsdorff: Das ist eigentlich der größte Teil.

00:03:00-2 Birgit Permantier: Ja okay, ja spannend. Und du hast promoviert zu den Effekten der Automatisierung für menschliches Erleben, was ja schon ein super spannendes Thema ist. Also was sich dahinter verbirgt ist wirklich interessant und du hast dich fokussiert auf datengestützte Personalentscheidungen. Fangen wir mal mit den Automatisierungen für menschliches Erleben an, was ist das denn eigentlich?

00:03:22-8 Charlotte von Bernsdorff: Ja, wo fange ich an? Vielleicht mal ganz banal bei den positiven Effekten von Automatisierung. Also das vollzieht sich ja in rasantem Tempo die Technologisierung und erst mal kann man sich fragen, warum eigentlich und das liegt daran, dass es einfach grundsätzlich die Interaktion zwischen Mensch und System sicherer macht, sicherer, effizienter, effektiver, aber eben vor allem sicherer. Also die Unfallquote zum Beispiel ist stark verringert. Ich habe vor allem im komplexen Mensch-Maschine-Bereich geforscht. Also wir unterscheiden einfache Systeme, komplexe Systeme, da muss ich jetzt vielleicht gar nicht so doll in die Tiefe gehen, aber wenn du dir so ein Bild machen willst, dann geht es so um Luftfahrt, Raumfahrt, Menschen, die vor hochautomatischen Leitwarten sitzen und im Grunde ganz viele Knöpfe vor sich haben und teilweise gar nicht mehr wissen, was in diesem System vor sich geht. Und das ist die sogenannte Ironie der Automatisierung. Wir automatisieren ganz stark, wir nehmen dem Menschen immer mehr Funktionen weg. Automatisierung heißt ja letztendlich auch nichts anderes, ich glaube, die Definition kenne ich sogar noch, stückweite bis vollständige Ersetzen von menschlichen Teilfunktionen.

00:04:28-9 Birgit Permantier: Aha.

00:04:28-7 Charlotte von Bernsdorff: Das heißt, eigentlich nehmen wir dem Menschen immer mehr weg mit der Idee, dass es danach besser geht, schneller geht, sicherer ist, weil Menschen müde werden und sich schlechter konzentrieren, weil sie irgendwie Stimmungen und Launen haben, weil sie vielleicht Persönlichkeitsstrukturen haben, die sie aufgeregt machen oder ähnliches, kommen wir bestimmt auch heute noch zu. Und ja, dann verspricht man sich eben dadurch sozusagen durch die Automatisierung mehr Sicherheit. Und dann hat man aber das Problem, dass dadurch, dass man dem Menschen so viel weggenommen hat an Aufgaben, er aber noch Teil oder sie noch Teil des Systems ist, diese Person in Sekunden wieder einspringen muss, wenn die Automation versagt, was sie tut, weil sie ist auch nur von Menschen gemacht. Aber so an irgendeinem Punkt wird es Reibungen geben und deswegen spricht man heute, also wenn es zu Störungen oder Fehlern kommt im Mensch-Maschine-System, dann meistens dadurch, dass es an der Interaktion lag. Es ist eigentlich nicht mehr zeitgemäß und auch nicht korrekt zu sagen, es gibt ein menschliches Fehlverhalten.

00:05:23-9 Birgit Permantier: Ja, das ist interessant, also ich habe ja zum Beispiel auch Fahrassistenzsysteme im Auto und stelle für mich selber fest, wenn die sehr sehr aktiv sind, dass ich unaufmerksamer werde.

00:05:33-6 Charlotte von Bernsdorff: Genau exakt. Das ist ein ganz schönes, gut erforschtes Phänomen, das nennt sich Complaicence(?), so ein ungerechtfertigtes sich verlassen auf das System. Und je stärker automatisiert wird, je stärker wir unterstützt werden, genau wie du es beschreibst, desto mehr verlassen wir uns drauf. Wir sind ja gewohnt, dass das sozusagen die Dinge für uns macht. Und gerade in den Anfängen, zum Beispiel im Navigationssystembereich, da war das ganz spannend in den Anfängen, als diese Navis auf den Markt kamen, da haben Leute einfach gar nicht mehr auf die Umwelt geachtet. Also sich keine validen Informationen mehr geholt, wie zum Beispiel einfach aus dem Fenster zu gucken. Und dann sind Leute mit ihrem Auto den Abhang runtergesaust und ins Wasser gestürzt, also gibt es wirklich interessante Beispiele, die so zeigen was passiert, wenn ich mich auf die Automation zu sehr verlasse.

00:06:15-2 Birgit Permantier: Oh ich merke schon, wir schlittern jetzt in die Systeme rein, das finde ich auch super, wirklich super interessant. Aber ich merke schon, dass das ein riesiger Bereich ist.

00:06:23-6 Charlotte von Bernsdorff: /unverständlich/ Genau.

00:06:25-5 Birgit Permantier: Und wir switchen mal so langsam über zum Thema Personaldiagnostik, was ja dein anderes Steckenpferd ist.

00:06:32-3 Charlotte von Bernsdorff: Mittlerweile eigentlich auch mein Fokus. Ich mache gar nicht mehr so viel mit Automatisierung.

00:06:36-2 Birgit Permantier: Ja. Wie kamst du denn dazu? Das ist ja auch ein spezielles Gebiet und erzähle doch mal deinen Weg hin zur Personaldiagnostik, was fasziniert dich denn daran?

00:06:49-6 Charlotte von Bernsdorff: Ja, ich überlege gerade, wann ich so das erste Mal so bewusstes Feuer gefangen hatte für die Eignungsdiagnostik oder eben die Personaldiagnostik, und das war, glaube ich, im Hauptstudium der Psychologie an der Humboldt Uni. Ich habe dieses Studium angefangen und war relativ offen. Ich hatte noch nicht von Anfang an einen Fokus, ich möchte in die klinische oder ich möchte in die Wirtschaftspsychologie oder in die Ingenieurpsychologie und am Ende habe ich eigentlich auch von allen drei Bereichen was mitgenommen. Und dann habe ich gemerkt, das ist es vielleicht, dass es sozusagen einen gemeinsamen Nenner gab immer über diese unterschiedlichen Bereiche und das waren die Menschen und das was sie ausmachen. Und wie das, was uns sozusagen als Person ausmacht, unsere Persönlichkeitsmerkmale, unsere Fähigkeiten, Fertigkeiten, wie ich das fundiert messen kann, um nachher zu erfolgreichen Verhaltensweisen beizutragen. Also ob das mich persönlich betrifft, ob das mein Privatleben betrifft oder ob es eben das Berufsleben betrifft, was ja eben auch einen ganz gewaltige Teil unserer Zeit einnimmt.

00:07:49-3 Birgit Permantier: Was hast du denn da über dich herausgefunden, was dir heute noch hilft zum Beispiel im Beruf?

00:07:56-2 Charlotte von Bernsdorff: Also einmal ist es ganz klassisch meine Persönlichkeitsergebnisse selbst. Ich habe natürlich viele Persönlichkeitstests machen müssen in meinem Studium. Und ich war natürlich, je mehr Tests man macht, desto weniger fasziniert ist man dann, man hat dann sozusagen schon Ideen und Hypothesen wie es ausgehen könnte.

00:08:09-9 Birgit Permantier: Es kommt doch ähnliches raus

00:08:11-0 Charlotte von Bernsdorff: Ja, genau, wenn die Tests gut sind, ganz wichtig. Und ich glaube, das war auf jeden Fall schon mal ein ganz wichtiger Punkt. Das ist ja wie so ein Angebot von außen. Das sind alles Selbstberichte, ich fülle den Test selber aus und am Ende kriege ich eine Auswertung, die mehr oder weniger differenziert ist und die dich von außen beschreibt auf dem Papier im Sinne eines Profils. Und dir schon schön aufzeigt auch grafisch, wo extreme Ausprägungen sind, wo du im Mittelfeld liegst, also wo sozusagen eher der Normbereich sich befindet. Das ist auf jeden Fall eine interessante Erkenntnis, die ich immer wieder mitnehme, also die mich tagtäglich begleitet und das ist auch das, was ich ja jetzt auch in der Gründerdiagnostik oder in der Personaldiagnostik, in der Beratung und im Coaching ganz stark mitnehme oder mit empfehle, dass andere Menschen sich einfach auch mal dem widmen, sich mal ein Bild auf dem Papier machen, was sozusagen Persönlichkeitstests so ausspucken an Werten. Und das kann ganz interessant sein, weil man sozusagen wie so eine Reflexionsmöglichkeit hat für sich selbst.

00:09:12-1 Birgit Permantier: Ja auch eine Vergleichbarkeit.

00:09:13-2 Charlotte von Bernsdorff: Absolut ja.

00:09:15-2 Birgit Permantier: Also das ist ja das Interessante, dass wir, also dass zum Beispiel so eine Kernerkenntnis für mich auch als Psychologin gewesen ist, wir wissen ja, dass wir unterschiedlich sind, aber wir fühlen das nicht. Wir denken ja immer irgendwie so, ein Teil von uns denkt immer so, ja die anderen sehen die Welt genauso wie wir, aber wir sehen die einfach so wie wir sind und nicht so wie die Welt wirklich ist.

00:09:34-7 Charlotte von Bernsdorff: Ja, vielleicht sogar noch stärker. Ich glaube, dass diese Abgrenzung von anderen oder dieses Spüren, dass andere etwas anderes sehen, das kommt eben oft nicht nur mit Wahrnehmen, mit Beobachten, sondern es kommt mit Wertung. Das heißt, wir machen auch viele negative Erwartungen, negative Erfahrungen, machen auch positive Erfahrungen natürlich, aber oft wird ja sozusagen weniger beobachtet und wahrgenommen als gleich gewertet, das ist gut, das ist schlecht, statt zu sagen, das ist häufig, das ist selten, das ist intensiv, das ist weniger häufig, ja, weniger intensiv. Und wenn es da mehr hingehen könnte insgesamt und wenn ich mein Profil lese, meine Persönlichkeit wahrnehme, wenn ich sozusagen selber über meine Fähigkeiten nachdenke, einfach erst mal sagt meine systemische Ausbilderin immer, einfach wahrnehmen, einfach wahrnehmen und dadurch auch annehmen. Und nicht gleich zu sagen, das ist jetzt gut oder das ist schlecht.

00:10:27-5 Birgit Permantier: Ja, ja da sind wir ja schon fast bei Mindfullness, das ist eine Empfehlung, die man generell geben kann, also wirklich rauszugehen aus dem Werten und rein ins Wahrnehmen und Spüren wahrscheinlich auch.

00:10:38-8 Charlotte von Bernsdorff: Ja, mit das schwerste, aber es lohnt sich.

00:10:42-0 Birgit Permantier: Absolut.

00:10:43-8 Birgit Permantier: Kommen wir jetzt mal zu dem Thema der GründerInnen und der GründerInnendiagnostik. Also das ist ja auch wirklich ein sehr sehr interessantes Feld. Warum ist es denn besonders wichtig, Gründerinnen nahezulegen, sich testen zu lassen und aber auch InvestorInnen nahezulegen, dass sie die GründerInnen testen?

00:11:05-1 Charlotte von Bernsdorff: Also das hat ganz unterschiedliche Gründe und der größte ist wahrscheinlich, um es jetzt mal so global zu formulieren, ein riesiger Missstand. Wenn man sich überlegt, wieviele Gründerinnen überhaupt Kapital bekommen, also im Grunde wie selten Gründerinnen Kapital bekommen. Im Schnitt, wieviel weniger Gründerinnen bekommen und wieviele männliche Investoren es auf dem Markt gibt und wie wenig weibliche Investoren. So das heißt, wir haben, bleiben wir mal auf der Beobachtungsebene, einfach ein großes Missverhältnis. Und die VC-Szene im klassischen Sinne bevorzug, ob bewusst oder unbewusst, immer noch männliche Gründer. Das hat ganz unterschiedliche Gründe, auch da stereotype Denkweisen, über die sind wir uns eben ganz oft nicht bewusst, similarity biases und so weiter. Und hier sozusagen seinen Fuß zu fassen ist relativ schwierig für uns Frauen oder für die Frauen, die gerne gründen wollen. Und das bedeutet, wir müssen hier sozusagen zunächst mal am System was ändern. Wir brauchen viel mehr Modelle, die auf die Bedürfnisse von Gründerinnen abzielen. Dafür muss ich wissen, wie Gründerinnen eigentlich so ticken. Und dieses Ticken, dieses alltagspsychologische Ticken ist nichts anderes als sich zum Beispiel mal einen Persönlichkeitstest ausspucken zu lassen. Und das kann ich tun als Entscheidet, um zu gucken, wie sind denn deine Bedürfnisse so gelagert? Möchtest du schneller wachsen, ist ein Hightech-Produkt mit skalierbarem Geschäftsmodell etwas für dich? Möchtest du dein Leben hier zwei Jahre unterordnen und schnell wachsen und Familie aufgeben, ist das was für dich? Oder bist du weniger risikogeneigt? Setzt du eher auf Nachhaltigkeit? Also man kann innerhalb dieser Investitionsmodelle doch wahrscheinlich sehr passgenaue Lösungen finden, wenn es die denn auch gebe. Das kann die Persönlichkeitspsychologie jetzt nicht lösen, es gibt einfach wenige Investoren, die vor allem nachhaltiges Wachstum fördern und das ist eine riesige Lücke. Und da muss man dazu sagen, da müssen irgendwie alle ran, vor allem Politiker und auch Investoren selbst, Frauen vielleicht auch mehr zu Investorinnen werden, die genau darauf setzen.

00:13:08-9 Birgit Permantier: Ja, danke, das war jetzt sehr ausführlich und ich gehe jetzt mal auf ein paar Punkte ein. Also du sagst ja, und das ist jetzt auch mit Forschung unterlegt, dass Frauen, Gründerinnen weniger Geld bekommen, weniger häufig auch Geld bekommen. Ich habe das jetzt mal recherchiert, fünfmal mehr ist die Wahrscheinlichkeit, dass männliche Gründer mehr als eine Million Euro als Investment bekommen, als Unterstützung bekommen.

00:13:32-8 Charlotte von Bernsdorff: Richtig.

00:13:33-9 Birgit Permantier: Das ist ja schon mal eine sehr aussagekräftige Zahl.

00:13:36-4 Charlotte von Bernsdorff: Also ich glaube, genau fünf Prozent der Frauen haben überhaupt schon mehr als eine Millionen eingesammelt.

00:13:41-0 Birgit Permantier: Ja Wahnsinn. Und dann hast du gerade den Bias erwähnt, also den Ähnlichkeits-Bias, das heißt, Männer unterstützen Männer, Frauen unterstützen Frauen und wie kann denn der jetzt durch das Testen unterbrochen werden dieser Ähnlichkeits-Bias?

00:13:58-0 Charlotte von Bernsdorff: Genau, indem ich möglichst sozusagen die Information über das Geschlecht des Gründers außen vor lasse. Entweder ich tue das ganz hart, indem der Pitch irgendwie in schriftlicher Form stattfindet, jetzt um es mal experimentell zu formulieren, das würde jetzt kein Investor mitmachen, auch wahrscheinlich keine Gründerin oder kein Gründer. Aber wenn wir anfangen würden, valide Methoden zu etablieren, die wir aus der Diagnostik wirklich schon seit Jahrzehnten kennen, die sind wirklich gut erforscht. Dann könnte man sozusagen dafür sorgen, dass die Intuition, die im Moment noch einen riesigen Raum hat bei Investitionsentscheidungen, dass die verringert wird. Das heißt, ich setze beispielsweise einen Persönlichkeitstest ein, vor dem Pitch, nach dem Pitch, ich gucke mir die Profile von den Gründerinnen an und ich definiere im Vorhinein, welche Typen ich eigentlich suche, welche Ausprägung ich suche für welche Art von Budget. Und damit habe ich automatisch den Effekt des Genders sozusagen minimiert, weil ich mich vorwiegend auf Merkmale konzentriere, die tatsächlich mit dem Berufserfolg korrelieren. Denn nur deswegen wird ja mit diesen Fahnen geschwenkt, weil wir aus der Forschung wissen, Persönlichkeit spielt eine Rolle für Gründungserfolg, überhaupt für Berufserfolg.

00:15:11-8 Birgit Permantier: Welche Merkmale braucht denn eine gute Gründerin, um erfolgreich zu sein?

00:15:17-1 Charlotte von Bernsdorff: Ja, also das ist jetzt eine sehr große Frage und ich beantworte die jetzt auch erst mal groß. Also was wir bisher wissen aus der Gründer- und Gründerinnenforschung ist, dass wir einmal trennen können in, welche Typen gründen denn überhaupt gerne, also die Gründungsintension oder die Absicht. Und dann kann man sich noch angucken, und welche sind damit auch erfolgreich. Und da gibt es Unterschiede, das ist total spannend. Also wir befassen uns in der Persönlichkeitspsychologie vor allem mit den sogenannten Big Five, also nicht die Tiere in Afrika, sondern die großen Merkmale. Die heißen Belastbarkeit, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Offenheit. Und die können in unterschiedlicher Art und Weise ausgeprägt sein. Und wenn Gründer zum Beispiel hoch risikoaffin sind, hoch extravertiert, hoch belastbar und sehr geistig flexibel, also eine große Offenheit haben, sind das Personen, die sehr gerne gründen. Was nicht bedeutet, dass sie nachher auch erfolgreich sind. Sondern was am Ende zumindest überbleibt über die Runden das sind auf jeden Fall die eine hohe Belastbarkeit und eine hohe Gewissenhaftigkeit/Leistungsmotivation, also so die Art und Weise erst mal stressresistent zu sein, so wind- und wetterfest, also Personen, die innerlich ausgeglichen sind, Personen, die Druck relativ gut aushalten können und sich das nicht so sehr zu Herzen nehmen. Ja einfach über einen längeren Zeitraum gleichförmige Leistungen bringen können.

00:16:35-5 Birgit Permantier: Ja, also auch ein gewisses dickes Fell haben.

00:16:38-7 Charlotte von Bernsdorff: Genau, das ist eigentlich eine schöne Übersetzung.

00:16:40-0 Birgit Permantier: Nachts schlafen können, wenn die Zahlen schlecht sind.

00:16:42-5 Charlotte von Bernsdorff: Exakt. Und gleichzeitig aber auch so ein innerer Antrieb, also eine Leidenschaft, ein Wunsch, sich hohe Ziele zu stecken, die auch zu erreichen, auch Privatleben zu opfern zugunsten eines Berufserfolgs. Das ist sozusagen eher was sich hinter Leistungsmotivation verbirgt und dafür muss man auch ein Typ sein. So jetzt habe ich ja gesagt, das sind relativ globale Antworten. Wir würden jetzt so weit wie wir sind nicht sagen, so das musst du sein und alle anderen Gründerinnen und Gründer können dann leider nicht mitmischen, sondern das war ja mein Punkt von vorhin, ich glaube, dass es je mehr Investitionskonzepte es gibt, die ausgerichtet sind auf die Bedürfnisse von den Gründern und nicht umgekehrt, desto besser haben Gründerinnen die Möglichkeit, sich auf diesem Feld zu tummeln, weil sie nicht mehr angewiesen sind, einfach zu VC zu rennen, die im Grunde noch Investitionsentscheidungen treffen, die eher so auf einem Steinzeitniveau erfolgen.

00:17:37-7 Birgit Permantier: Ja genau, aus dem Bauch heraus, wie du das so schön sagst. Und du betonst ja besondres auch, dass in den Teste die Bedürfnisse der Gründerinnen erforscht werden oder diagnostiziert werden. Das finde ich einen interessanten Dreh eigentlich, weil ich jetzt gedacht habe, es geht um die Persönlichkeitsmerkmale. Aber die Bedürfnisse, wie unterscheiden sich denn die weiblichen Bedürfnisse der Gründerinnen von eben den der Gründer?

00:18:05-7 Charlotte von Bernsdorff: Also wenn man da auch relativ global guckt, also nach Gendereffekten und Interaktionen mit Persönlichkeitsmerkmalen weiß man zum Beispiel, dass Frauen im Schnitt sensitiver sind als Männer und dass sie weniger risikoaffin sind, also vorsichtiger. Das kann natürlich auch eine evolutionsbiologische Prägung sein, die sich irgendwann sozusagen über die Zeit angleicht, aber bisher finden wir diese Unterschiede noch. Und da sieht man schon und das sind jetzt nur Durchschnittswerte, das sind jetzt erst mal Beschreibungen. Aber da sieht man schon, dass es auf jeden Fall Modelle geben muss, die genau auch sozusagen für vorsichtige Personen, Männer wie Frauen, angepasst sind. Also dass ich Modelle habe, wo ich sage, ja ich möchte nicht rasant wachsen und sozusagen Verantwortung haben für mein ganzes Team und dann nicht performen und die Zahlen stimmen nicht und ich habe einen Druck vom Investor irgendwie da zu stehen. Ich möchte gerne nachhaltig wachsen, ich möchte das vereinen. Wir finde ja durch die Bank, die Frauen gründen dann nicht nur ein Unternehmen, die gründen vielleicht auch eine Familie genau in derselben Zeit. Und Studien zeigen auch, vielleicht auch nicht überraschend, dass Frauen immer noch maßgeblich verantwortlich sind für die Familienaufgaben. So, das bedeutet, Frauen kommen in das Dilemma, sich entscheiden zu müssen, entweder Kinder oder Gründen und das darf nicht sein.

00:19:24-8 Birgit Permantier: Okay. Hast du ein paar Fallbeispiele, wo deutlich wird, dass die Diagnostik einen Unterschied gemacht hat? Also das fände ich jetzt mal interessant, wo hat das wirklich geholfen?

00:19:36-6 Charlotte von Bernsdorff: Also jetzt muss ich vor allem eigentlich auf die Studien verweisen, die es gibt. Weil wir haben ja wie so oft eine schöne Lücke zwischen Forschung und Praxis, das heißt, es gibt noch viel zu wenige Investoren, die systematisch Persönlichkeitstests einsetzen beispielsweise oder auch Intelligenztests oder strukturierte Interviews, also valide Verfahren, von denen wir wissen, dass die nachweislich die Entscheidungsqualität erhöhen, das macht immer noch keiner. Das heißt, wir wissen, oh Leute ihr habt so viel Potenzial, ihr könnt es so viel besser machen, es wird aber nicht gemacht. Andersrum wissen wir aber wiederum aus den Studien, dass dieses Potenzial absolut da ist, also das können wir auch schon nachweisen. Wir können das in Euro nachvollziehen, inwiefern es dann einen Unterschied macht, ob jemand hoch belastbar, hoch extravertiert ist beispielsweise oder eben …

00:20:26-4 Birgit Permantier: Sag mal eine Zahl, eine Hausnummer wie es so schön heißt, also in Euro?

00:20:29-5 Charlotte von Bernsdorff: Oh Gott, da müsste ich jetzt selber nachlesen. Ich glaube, wenn wir uns zum Beispiel, was habe ich denn noch im Kopf, naja wir haben schon so Unterschiede in der Zielerreichung zwischen 15-20 Prozent. Das kann man sich dann hochrechnen, je nachdem welches Investorenziel gesetzt wurde. Und dann hat man sozusagen eine Hausnummer, die erst mal gar nichts mit Training zu tun hat, die einfach dadurch kommt, dass ich so ticke und die Art von Bedürfnissen habe.

00:20:53-1 Birgit Permantier: Also sie sind belastbarer und extrovertierter und das Extrovertierte trägt halt wahrscheinlich auf die Vernetzungsqualität ein oder?

00:21:03-0 Charlotte von Bernsdorff: Ja absolute, eine sehr valide Hypothese Birgit. So ist es. Ich finde das Merkmal selber noch interessant, weil die Studien heterogene Ergebnisse auswerfen. Also Extraversion hat einen großen Effekt, wenn es um die Gründungsintension geht, also die Frage, will ich überhaupt gründen, habe ich da Lust zu? Und Extravertierte haben da mehr Lust zu als Introvertierte. Aber nach hinten raus ist es nicht so, dass Extraversion dann noch einen riesigen Effekt hat bei der Performance, sondern da sind andere Merkmale wichtiger. Und es könnte sein, dass es eine Überschätzung gibt dieses Merkmals. Weil wenn ich mich mit Investoren unterhalte, dann sagen die so was wie, die Gründerinnen sollen gierig sein und hungrig sein und die sollen irgendwie …

00:21:43-6 Birgit Permantier: Sehr patriarchal klingt das noch.

00:21:44-2 Charlotte von Bernsdorff: Ja, das ist das Zitat.

00:21:45-1 Birgit Permantier: Also sehr sehr gierig und hungrig. Ey das müssen wir jetzt noch malsacken lassen.

00:21:50-3 Charlotte von Bernsdorff: Ja genau, aber dann hast du …

00:21:51-3 Birgit Permantier: Die Löwen.

00:21:52-8 Charlotte von Bernsdorff: Genau, dann hast du extravertierte Personen, die grundsätzlich optimistisch sind, die gerne die große Bühne suchen, die gern im Mittelpunkt stehen, die gerne dominant auftreten und natürlich sind das die Personen, die neben vielleicht einer Ambition für das Produkt oder die Idee einfach hungriger, optimistischer und so ich verkauf dir was auftreten. Und die werden dann sozusagen bevorzugt, kriegen mehr Fundings, aber ob sie hintenraus auch wirklich dann so performen, das zeigen dann eher andere Merkmale. Deshalb ist es nicht ganz sicher, ob es günstig ist, immer auf eine hohe Extraversion zu setzen, was aber im Moment noch getan wird.

00:22:25-2 Birgit Permantier: Aha. Naja, es hört sich mehr so nach so einer Strahlkraft an, die die Gründer und Gründerinnen dann haben.

00:22:31-7 Charlotte von Bernsdorff: Schönes Bild.

00:22:32-6 Birgit Permantier: Ja.

00:22:35-8 Birgit Permantier: Also gibt es nicht eine Geschichte, die du vielleicht erzählen kannst, wo das noch mal deutlicher wird, wie wichtig das ist oder wo es vielleicht auch mal schiefgegangen ist. Weil Gründungen gehen ja auch hier und da mal schief und es ist ja auch durchaus so, dass Leute gründen, die vielleicht diese Merkmale nicht haben und die könnten ja dann auch davor gewarnt werden, nicht wahr?

00:22:57-7 Charlotte von Bernsdorff: Genau, also das ist das große Potenzial. Es ist halt dadurch, dass es so wenig Daten dazu gibt und dass es so wenig gemacht wird, ist es total schwierig, eine Geschichte zu finden, wo man sagt, wo man entweder sagt, hey du hast auf Persönlichkeitstests gesetzt und das hat dir so und so geholfen, weil wir einfach da in der Forschung sehr weit sind, in der Praxis eher hinterwäldlerisch unterwegs. Aber natürlich andersrum, ich garantiere dir, dass die Geschichten auf jeden Fall erzählenswert werden, wenn man erst mal anfängt, systematisch Persönlichkeitsprofile zu analysieren und dann nicht nur Gründerinnen zu helfen, sich besser aufzustellen, sondern auch Investoren zu garantieren, dass sie wie als gegebene Formel, dass eins von zehn Startups nur reüssiert, um eine Einheit mindestens erhöht. Dann reüssieren plötzlich zwei Startups, weil ich mir die richtigen Typen rausgesucht habe und dann gibt es auf jeden Fall den großen Applaus. Weil natürlich möchte jeder Investor und jede Investorin Gewinn maximieren. Und wenn ich plötzlich eine Schraube habe, an der ich drehen kann, und ich merke, ich suche einfach nach den richtigen Typen und lasse nicht nur einfach meinem Bauch irgendwie sozusagen eine Personenzuschreibung machen, die im Grunde ja auch fast was übergriffiges hat, weil ich mir anmaße, die komplexe Persönlichkeit einer Person sozusagen so über den Daumen zu peilen, da ist auf jeden Fall…

00:24:16-2 Birgit Permantier: Liegen die denn, weiß man denn schon, wie sehr die da falsch liegen, also wie sehr das Bauchgefühl tatsächlich trügt?

00:24:23-9 Charlotte von Bernsdorff: Ja, das weiß man. Also wenn du dir vorstellst, du möchtest 100 Prozent Berufserfolg vorhersagen. Also stelle dir so eine Torte vor von 100 Prozent und das musst du irgendwie aufklären. Also je mehr Tortenstücke du sozusagen erklären kannst, desto besser ist deine Entscheidung. Und jetzt wissen wir aus Studien, dass das Bauchgefühl, also die Idee, dass ich unterschiedlichen Leuten unterschiedliche Fragen stelle, dass ich mir so mal ganz kurz angucke, was der Gründer zu sagen hat, dann habe ich vielleicht fünf Minuten mit Gründerinnen und Gründen im Pitch und dann rausche ich wieder raus und dann peile ich so über den Daumen, was das so für ein Typ war oder eine Typin, dann sind das vier Prozent, also ein sehr sehr schmales Kuchenstück von dem was ich eigentlich klären könnte.

00:25:08-2 Birgit Permantier: Oh, das ist wirklich wirklich wenig.

00:25:09-5 Charlotte von Bernsdorff: Ja, das ist heftig. Ja und verstehst du, deshalb ist das für mich manchmal, ich sitze da wirklich mit offenem Mund teilweise…

00:25:17-2 Birgit Permantier: Weil es geht ja wirklich um Millionen teilweise.

00:25:18-9 Charlotte von Bernsdorff: Ja und das ist wirklich gar nichts neues. Alle personalpsychologischen Kollegen, die ich jetzt fragen könnte, für die ist das sozusagen keine neue Erkenntnis, wir wissen das schon sehr lange. Und ich finde das total interessant, dass in dieser vermeintlich hippen Investoren-/Gründerszene, wo ja auch ganz viel mit Daten gearbeitet wird und wo Datenanalysen eine Rolle spielen und Tracking und alles mögliche, gerade an den wichtigsten Stellen, nämlich wenn ich über Gründerpersönlichkeiten und Teamzusammensetzungen spreche, da auf eben ja relativ archaische Methoden gesetzt wird.

00:25:53-8 Birgit Permantier: Ja, aber wie erklärst du dir das denn? Also wenn das so offensichtlich ist und so weit verbreitet und alle HR-Leute sich die Hände über den Kopf schlagen.

00:26:03-1 Charlotte von Bernsdorff: Nur die Forscher. Ja die Praktiker tun das noch nicht, das ist genau der Punkt. Wir Forscher haben sozusagen wie so eine Idee oder so ein Wissen und denken so, es wäre so einfach. Ist es auch wirklich, auch in der Umsetzung wäre es gar nicht so schwer. Aber bei den Praktikern spielen natürlich Traditionen, starre Systeme und natürlich auch stereotype Verhaltensmuster eine Rolle, die relativ stark sind, bis man sie aufhebt, aber man muss dann erst mal was einführen und dafür braucht es mindestens eine Person, die sagt, ich würde es zumindest mal ausprobieren.

00:26:34-2 Birgit Permantier: Mhm /bejahend/, naja also wenn ich mir das so vorstelle, wer das jetzt hört als Investor oder so, …

00:26:40-1 Charlotte von Bernsdorff: Dem klingeln hoffentlich die Ohren.

00:26:42-0 Birgit Permantier: Dem klingeln oder derjenigen, wir hoffen ja, dass es auch Frauen sind.

00:26:46-0 Charlotte von Bernsdorff: Richtig.

00:26:46-3 Birgit Permantier: Die mal was investieren. Ja okay, welche Faktoren vielleicht spielen denn noch eine Rolle, um ein Business fliegen z lassen auf der Gründerinnenseite, was gibt es denn da noch?

00:26:58-1 Charlotte von Bernsdorff: Also ich bin ja mehr Expertin für sozusagen die Kontextbedingungen oder eben das, was sozusagen Persönlichkeitsmerkmale, was Gründerinnen sozusagen inhärent ausmacht. Ich will mir jetzt gar nicht anmaßen, als Gründerin zu sprechen, aber ich glaube, da liegt vielleicht noch ein wichtiger Punkt, nämlich in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich glaube, dass dieses Thema sehr viel verbreiteter ist und noch viel zu wenig eine Lobby hat und Gründerinnen genau dadurch sich schwer tun, Vorstellungen überhaupt zu entwickeln, überhaupt den Raum, die Zeit zu haben, Ideen zu entwickeln.

00:27:34-8 Birgit Permantier: Ja.

00:27:35-7 Charlotte von Bernsdorff: Und dann gleichzeitig das noch umzusetzen. Und ich glaube, dass da ein ganz wesentlicher Punkt ist, abgesehen davon, dass ich natürlich für den Gründungsprozess einfach zumindest im Gespräch mit Praktikern sagen kann, dass Netzwerk eine große Rolle spielt. Und ich glaube, das ist auch die einzige Empfehlung, die ich jetzt, ohne jetzt anmaßend zu werden, die ich jetzt sozusagen auch aus Studien mitgeben könnte, dass es wahnsinnig hilfreich ist, sich so auch wie hier heute auszutauschen unter unseresgleichen und da freizusprechen und sich viele Tipps, viele Kontakte, warme Kontakte zu holen, um dann keine, wie es immer so gesagt wird, Anfängerfehler zu machen. Und andererseits bin ich auch ehrlich gesagt kein Fan davon, die größte Bringschuld, wie es oft getan wird in den Medien, bei den Gründerinnen zu sehen. Also was die sich alle anhören müssen, don’t pitch like a girl, don’t pitch like a man. Ja, also du kannst nicht alles haben. Du musst Anfängerfehler vermeiden, du darfst nicht naiv sein, du sollst confident sein, aber nicht zu confident und so weiter. Das ist sozusagen wie …

00:28:35-9 Birgit Permantier: Vollkommen paradox, was da für Anforderungen sind, die sind einfach nicht erfüllbar und dann kann man es einfach im Prinzip direkt vergessen. Ja, also weg mit diesen ganzen Anforderungen aus den Köpfen letztlich.

00:28:47-7 Charlotte von Bernsdorff: Ja, exakt. Weil das System gibt das teilweise noch nicht her. Das heißt, wir lassen Frauen sozusagen wie so loslaufen und empfehlen ihnen Dinge, die aber eigentlich, mit denen sie wieder scheitern werden, um es jetzt mal sozusagen etwas dramatisch zu formulieren. Und deswegen glaube ich auch, dass es total wichtig ist, natürlich die Voraussetzungen zu schaffen, also auch von der Politik her zu sagen, wie können wir Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirklich, wo können wir wirklich was drehen? Beispielsweise in der Elternzeit, wann sollte die beginnen, wann sollte die enden? Oder wie sieht es aus mit der Aufgabenverteilung? Und es geht nicht nur um eine verlängerte Betreuung, wie ich oft höre dann, morgens betreuen, noch
abends, ich will doch meine Kinder auch sehen. Ich will die doch gar nicht noch bis 20 Uhr in der Kita lassen. Ich möchte flexibel arbeiten, jobsharing.

00:29:29-5 Birgit Permantier: Ja, aber da ist ja doch eigentlich die Selbstständigkeit die beste Möglichkeit es zu tun.

00:29:34-4 Charlotte von Bernsdorff: Exakt.

00:29:35-7 Birgit Permantier: Ich habe in dem Rahmen auch mal eine Studie gelesen, von der es hieß, dass eine Doppelkarriere in so einer Ehe oder Partnerschaft vor allen Dingen dann möglich ist, wenn die Frau selbstständig ist. Also das war wirklich das Kriterium überhaupt. Ansonsten ist es halt die klassische Partnerschaft, wo der Man der Hauptverdiener ist und die Frau macht einen Nebenjob, so ungefähr.

00:29:57-1 Charlotte von Bernsdorff: Genau. Und wenn sie den machen will, muss sie es sich auch selber organisieren.

00:29:59-8 Birgit Permantier: Oder Teilzeit.

00:30:00-9 Charlotte von Bernsdorff: Es ist sozusagen, oft sind die Männer dann keine Variable im System, sondern wenn du arbeiten möchtest, dann organisiere dir das doch.

00:30:08-3 Birgit Permantier: Ja.

00:30:09-2 Charlotte von Bernsdorff: Okay.

00:30:12-1 Birgit Permantier: Aber ich stimme dir total zu, und wir haben darüber auch schon mal gesprochen, dass eigentlich die Selbstständigkeit, die Gründung an sich ein ideales Modell ist, weil man so frei ist.

00:30:23-0 Charlotte von Bernsdorff: Ja. Ich glaube, der einzige Fehler ist, man muss versuchen im Moment in einer Startup-Welt mitzumischen, wo es nur um klassische VC-Entscheidungen geht, die sozusagen auf das nächste Unicorn wetten. Das ist oft nicht gemacht für das familiäre System, also von Frauen. Aber wenn man, wie gesagt, wenn nachhaltige Gründungsmodelle mehr gepusht werden und dahin wird es gehen, und es wie so eine Spielwiese gibt an Gründungsmodellen für Frauen, dann sind auf jeden Fall Modelle da, die wirklich den Bedürfnissen der Frauen entsprechen, das ist jetzt einfach noch nicht so.

00:30:56-7 Birgit Permantier: Ja, genau, also da muss die Politik noch ein bisschen nachschärfen sozusagen und wir uns auch mehr einsetzen als Frauen dafür, dass das eben für unsere nachfolgenden Generationen, unsere Töchter zum Beispiel, tatsächlich auch passiert. Ja, wir machen ja jetzt gerade in diesem Moment wirklich den Frauen Mut auch zu gründen. Also was könnten wir denn noch sagen, damit die sich jetzt wirklich so in die Startposition hineinbegeben und sagen, hey dafür lohnt sich die ganze Schose?

00:31:25-1 Charlotte von Bernsdorff: Also wahrscheinlich ist es wichtig, ich finde diese Bedürfnisklärung das ist irgendwie ein Thema, nicht nur der Personaldiagnostik, sondern auch von mir persönlich oder ich merke das oft so, ich weiß nicht, wie es dir geht in deinem Bekanntenkreis,
dass das sozusagen immer die allererste Stellschraube vielleicht ist, wirklich zu erkennen, was ist mir eigentlich wichtig. Das ist ja eine ziemlich große Frage und man wird vielleicht nie alles beantworten von dem, was man so an Fragen hat. Aber ich glaube schon, dass dem nachzugehen, also selbst diese Frage erst mal für sich aufzuwerfen, dann auch für sich und den Ehemann oder die Ehefrau oder den Partner, wie auch immer, sich anzugucken, was ist mir wichtig, was ist uns wichtig, wie wollen wir uns aufstellen. Also schon anfangen, zu Hause zu klären, wie ich mich eigentlich entfalten kann und von da aus sozusagen…

00:32:09-9 Birgit Permantier: Und gemeinsam vor allen Dingen, das ist ja auch wichtig. Was ich jetzt denke noch mal im Zusammenhang mit der Personaldiagnostik und auch der Persönlichkeitsentwicklung, da ist es ja auch so, dass gerade die Selbstständigkeit oder die Gründung die Persönlichkeit ja auch verändern kann.

00:32:27-9 Charlotte von Bernsdorff: Ja, Laos das ist zumindest denkbar.

00:32:30-9 Birgit Permantier: Wurde ja gerade eben auf dem Podium auch gesagt, da saß ja eine Gründerin mit dir, die gesagt hat, das ist so ein toller Entwicklungsschub zu gründen.

00:32:39-5 Charlotte von Bernsdorff: Genau, es ist total interessant, weil es könnte natürlich auch dadurch gekommen sein, dass mit dem Gründungsmodell sie erst eigentlich den Kontext gefunden hat, um ihre Persönlichkeitsausprägung und ihre Bedürfnisse zu entfalten. Und darum geht es ja eigentlich. Also wenn du festgestellt hast, was dir eigentlich wichtig ist, welchen Kontext suchst du, welche Personen suchst du dir, welches Setting suchst du dir, um das, was dich so ausmacht, so fliegen zu lassen oder so dem nachzugehen. Und sich im Grunde selbst treu zu bleiben, wollte ich sagen. Ich finde, das ist irgendwie, das klingt so ein bisschen esoterisch vielleicht, aber eigentlich geht es ganz gut oder? Ich meine, wir haben den Vorteil, glaube ich, als Frauen, dass wir viel coachaffiner sind, wir machen alle mehr Therapien, alle mehr Coachings, wir lassen uns irgendwie auf mehr Gespräche ein. Viele arbeiten doch irgendwie sehr an sich selbst. Und ich finde, das sind alles so Dinge, ja das sind irgendwie tolle Startmöglichkeiten. Weil wenn wir davor keine Angst haben, so hinzugucken.

00:33:46-1 Birgit Permantier: Ja stimmt.

00:33:47-3 Charlotte von Bernsdorff: Dann können wir viel besser entscheiden, was gut ist für mich oder was nicht gut ist für mich. Und das betrifft dann halt auch den Beruf oder die Gründung.

00:33:55-1 Birgit Permantier: Also das heißt, Gründerinnen haben auch das Potenzial, sich selbst besser kennenzulernen und dadurch eben auch ein stimmigeres Leben für sich zu bauen als zum Beispiel jemand, der zu stark in Bedingungen und in Kontexten sind, das wissen wir ja auch, dass Unternehmen und solche Kontexte einen Wahnsinnseinfluss auf uns haben, also deswegen ehrlich gesagt bin ich auch immer selbstständig gewesen, weil ich einfach in so einen Kontext nicht rein wollte. Weil ich wusste so, da muss ich quadratisch, praktisch, gut sein sozusagen. Das geht irgendwie mit mir nicht.

00:34:26-8 Charlotte von Bernsdorff: Ja, ich würde dir voll zustimmen.

00:34:28-5 Birgit Permantier: Vollkommen verdorben fürs Angestelltsein für immer.

00:34:31-3 Charlotte von Bernsdorff: Genau. Und ich meine, wahrscheinlich gibt es natürlich auch dafür oder wir wissen ja auch, dass es dafür Profile gibt oder Persönlichkeitsstrukturen, die mehr Spaß haben an Selbstständigkeit als vielleicht an Festangestelltenverhältnissen. Es gibt ja auch genau diejenigen, die sagen, nein Festanstellung da weiß ich was ich habe und da gehe ich irgendwie auf und ein Team ist mir wichtig. Als Selbstständige ist man ja auch oft allein unterwegs, das muss man auch mögen, aber viele tun es halt auch. Also es gibt nicht immer nur die teamorientierten unter uns, auch wenn das gesellschaftlich immer gern gewünscht ist, sondern es gibt Leute, die super gern alleine arbeiten, eigenständig Entscheidungen treffen und dafür finde ich zum Beispiel auch eine Selbstständigkeit ideal. Also wenn ich mich einfach freimachen will von allen möglichen Strukturen.

00:35:12-5 Birgit Permantier: Ja, ein Plädoyer für die Selbstständigkeit, ein glühendes. Ja, aber so was von glühend. Lass uns doch mal schauen, also einen Ausblick geben, das heißt, wo geht denn jetzt die Reise hin für die Diagnostik und was würdest du dir wünschen eigentlich? Also ist ja schon klar geworden, dass du dir wünschst, dass mehr Diagnostik gemacht wird, aber vielleicht darüber hinaus noch.

00:35:35-9 Charlotte von Bernsdorff: Also ich glaube, grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass Verantwortliche für Personal, ob das Personalentwicklung ist oder Personalauswahl, also alle Menschen, die im Moment noch Verantwortung haben, irgendwann werden wir … also ich meine, HR-Bereich ist wahrscheinlich das erste, was automatisiert wird, weil es oft nur kostet. Aber selbst dann, auch wenn ich automatische Systeme einführe, dass mir bewusst ist, wen ich da vor mir habe. Dass es mir ein Anliegen ist, ein persönliches oder dass ich mir solche Tools angucke, die wirklich genau analysieren, wo wertschätzende Ergebnisse rauskommen und dass ich in der Lage bin oder dass ich immer wieder hingucke, ob das was ich tue noch Sinn macht. Das ist vielleicht jetzt so ein bisschen, ich überlege gerade, ob ich das so zu global formuliert habe. Aber letztendlich geht es darum, zu überprüfen was ich da tue und damit nicht aufzuhören.

00:36:29-1 Birgit Permantier: Das ist ja auch ein interessanter Blickpunkt, dass wir das sozusagen als Überprüfungsreflektionspunkte auch nutzen können. Dann bedanke ich mich sehr herzlich bei dir liebe Charlotte für das schöne Gespräch.

00:36:40-8 Charlotte von Bernsdorff: Vielen Dank Birgit.

00:36:41-7 Birgit Permantier: Und wünsche dir ganz ganz viel Erfolg mit allem was du tust.

00:36:44-9 Charlotte von Bernsdorff: Dir auch.

00:36:57-2 Moderation: Wenn Sie jetzt Lust haben, in die Unterhaltung einzusteigen, dann besuchen Sie uns auf der nächsten herCAREER Expo in München und netzwerken Sie zusammen mit tausenden ExpertInnen aus verschiedensten Branchen und Fachbereichen. Oder fangen Sie gleich von zu Hause aus an, zum Beispiel über www.herCAREER-Lunchdates.com. Ob virtuell oder im Reallife, wir vernetzen Sie gern. Wenn Sie gerade eine neue Herausforderung suchen, dann probieren Sie unbedingt www.herCAREER-Jobmatch.com aus. Bei Fragen zum Podcast schreiben Sie uns einfach eine Mail an podcast@her-CAREER.com . Abonnieren Sie den herCAREER Voice Podcast auf iTunes, Spotify oder wo immer Sie Ihre Podcasts hören und empfehlen Sie uns an Ihre liebsten KollegInnen. Alle Episoden gebündelt finden Sie zum Beispiel unter www.her-CAREER.com/podcast . Wir sind glücklich und stolz, dass Sie ein Teil der herCAREER Community sind. Danke, dass Sie anderen zuhören, um uns alle weiter zu bringen. So klingt female Empowerment.