„Nicht perfekt ist auch gut“

Carina Kontio ist Wirtschaftsjournalistin beim Handelsblatt. Als Redakteurin schreibt sie vor allem über Karriere- und Managementthemen, außerdem leitet sie das Business-Netzwerk Leader.In. Wenn sie nicht arbeitet oder über Arbeit nachdenkt, treibt die studierte Volkswirtin am liebsten Sport oder sich im Internet herum. Doch egal ob im Büro oder zu Hause: Kaffee muss sein.

Du glaubst, immer perfekt sein zu müssen? „Nicht perfekt ist auch gut“, sagt die Wirtschaftsjournalistin und Karriere-Podcasterin Carina Kontio. In diesem Vortrag lernst Du, was die Ursache von Perfektionismus mit einer Ente zu tun hat, wie Du dich vom Leistungsdruck verabschiedest und wieder Spaß an der Arbeit haben kannst. Kontio möchte Dich dazu einladen, den Mut zu haben, Projekte auch mal mit voller Absicht vor die Wand zu fahren – und trotzdem erfolgreich zu sein.

Dieses MeetUp ist Teil der Vorträge bei der herCAREER 2018, Ort und Zeitpunkt finden Sie im Programm.

Was ist Ihrer Erfahrung nach die wichtigste Zutat im Rezept zum Unperfektsein?

Klar, besser geht immer. Aber wäre es nicht toll, wenn wir uns einfach mal nur auf unseren Lorbeeren ausruhen und dem ganzen Optimierungswahn Tschüssi sagen könnten? Wenn wir den Punkt finden würden, an dem wir optimiert genug sind? Dazu braucht es Gelassenheit, Mut und Selbstvertrauen. Die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich sowieso nicht ändern kann. Den Mut, fehlbar und authentisch zu sein, und das Selbstvertrauen, dass ich auch dann wertvoll bin, wenn ich heute nicht meditiert habe, gleichzeitig noch 20 unbeantwortete E-Mails im Postfach liegen und ich auch noch keine 10.000 Schritte gelaufen bin.

Wie kann man Leistungsdruck gekonnt abbauen – was sind Ihre Erfahrungen und Tips?

Wirklich wichtig ist es im ersten Schritt, negative Glaubenssätze zu identifizieren, die sich in unsere Festplatte eingebrannt haben. Dass wir zu uns selbst so streng sind, liegt oft in unserer Kindheit. Überstrenge Eltern, denen nur Höchstleistungen und Bestnoten genügten, braucht es dafür noch nicht einmal. Spätestens in der Schule und im Studium lernen wir, dass Fehler grundsätzlich doof, beschämend und mit Rotstift zu bestrafen sind. So entstehen im Laufe unseres Lebens toxische Gedanken, mit denen wir uns selbst sabotieren. Zum Beispiel: “Wenn ich die Prüfung nicht schaffe, bin ich eine Versagerin.” Solche Gedanken sind pures Gift und werden beherrschender, je öfter wir sie denken. Das haben Hirnforscher herausgefunden. Je öfter wir denken “Das schaffe ich nicht”, desto dicker werden im Gehirn die entsprechenden Nervenverbindungen – bis von den guten Gedanken in unserem Kopf fast nichts mehr übrig ist. Und jetzt kommt die gute Nachricht: Wir müssen nur einmal verstehen, wie diese Selbstsabotage tickt. Dann haben wir eine größere Chance, ihr im letzten Moment auszuweichen, sie auszutricksen oder gar ihre zerstörerische Energie in etwas Nützliches zu verwandeln. Wie das konkret funktioniert, verrate ich dann in meinem Vortrag in München.

Bewusst scheitern – was raten Sie Frauen, die lieber schlaflose Nächte haben als auch mal ein Projekt den Bach runter gehen zu lassen?

Zur Entgiftung rate ich immer, ab und zu ganz bewusst mit Unvollkommenheit zu experimentieren. Zum Beispiel auszuprobieren, wie viele ungelesene E-Mails man am Ende eines Tages ertragen oder wie viele Meetings man in der jeder Woche auslassen kann. Versuchen Sie auch mal, Ihre To-Do-Liste wegzuwerfen in dem Wissen, dass Sie sich die wichtigen Dinge sowieso merken werden. Suchen Sie sich Projekte, bei denen es egal ist, ob sie mittelmäßig oder unterirdisch sind – weil Scheitern dort keine Folgen für Ihre berufliche Karriere hat.

Ich zum Beispiel musste neulich in einer kleinen Runde 10 Minuten lang einen Vortrag halten und ein Projekt vorstellen. Statt mich zwei Tage vorher verrückt zu machen und hundertmal zu üben, habe ich mir erst zwei Stunden vor dem Termin kurz Gedanken dazu gemacht. Statt aus Angst vorm Scheitern in Panik zu verfallen, habe ich mir dann auf ein Post-it nur drei Punkte aufgeschrieben und bin losgefahren – mit dem Zettel am Armaturenbrett im Auto. Das war’s. Und wissen Sie was? Der Vortrag lief prima und ich habe positives Feedback bekommen, weil ich frei und spontan gesprochen habe. Ich war an diesem Abend sicher nicht perfekt, aber gut genug. Das ist übrigens ein Satz, den ich mir selbst in meinem Berufsleben oft sage. Probieren Sie das auch mal aus und beobachten Sie, was das mit Ihnen macht. Ertappen Sie sich, dass Sie gerade dabei sind, wieder drauf los zu optimieren, sagen Sie sich: “Ich bin gut genug.” Oder: “Meine Arbeit ist gut genug.”