Transformationen sind ganzheitliche Veränderungen – Digitalisierung ist aktuell einer der Hauptgründe für Unternehmen, ihre bisherigen Strukturen auf den Kopf zu stellen und Organisationen, Prozesse und Instrumente neu zu denken. Das ist zumindest das Ziel. Doch Effizienzpotenziale hinken oft den Erwartungen hinterher. Was läuft falsch? Häufig fehlen Zielbild und Strategie, Transformationsprojekte werden von homogenen Teams von einem Standort getrieben, es fehlt Mut und funktionsübergreifendes Denken und Handeln. Sichtweisen und Erfahrungen zusammenzubringen ist dabei ein wichtiger Faktor.

„Transformationen müssen ganzheitliche Veränderungen sein, damit sie funktionieren“

herCAREER: Warum sind Transformationen ganzheitliche Veränderungen?

Maren Hartmann: Bei Transformationen geht es darum, etwas zu verändern, etwas zu einem neuen „Ganzen“ hinzuentwickeln. Eigentlich müsste man eher sagen „Transformationen müssen ganzheitliche Veränderungen sein, damit sie funktionieren“. Es reicht daher nicht, nur den einen Prozess anzupassen oder nur das eine neue Tool einzuführen, das wäre zu kurz gesprungen. Wenn bspw. ein Prozess digitalisiert werden soll, muss ich mich fragen: Welche weiteren Prozesse oder Aufgaben werden beeinflusst? Wer ist momentan beteiligt? Welche Abhängigkeiten gibt es? Wie müssen die Mitarbeiter:innen geschult werden? Eine digitale Transformation ist wie die Kernsanierung eines Hauses: Man kann nicht nur die Wände neu streichen und erwarten, dass eine große Veränderung passiert; oder eine neue, „smarte“ Heizung installieren und nicht ausreichend erklären, wie diese zu bedienen ist, und erwarten, dass der gewünschte Nutzen eintritt.

herCAREER: Warum hinken Effizienzpotenziale oft den Erwartungen hinterher?

Maren Hartmann: Nicht jedes Transformationsprojekt hat eine Effizienzsteigerung zum Ziel, oft ist auch das Anliegen, Prozesse und deren „Output“ zu verbessern. Im Controlling- und Finance-Bereich geht es beispielsweise oft darum, neue Informationen zur Verfügung zu stellen, mit denen Entscheidungen besser getroffen werden können. Die Gründe, warum die einmal gesetzten Ziele nicht immer erreicht werden, sind vielfältig. Transformationsprojekte sind in der Regel längerfristige Unterfangen, daher braucht es oft einen „langen Atem“, um auch wirklich ans Ziel zu kommen. Eine Gefahr ist, dass man auf dem Weg den Blick auf das Wesentliche verliert. Das einmal ausgerufene Ziel wird manchmal nicht mit ausreichender Konsequenz verfolgt – oftmals kommen auf dem Weg neue Anforderungen hinzu, ohne dass andere wegfallen. Um beim vorgenannten Beispiel zu bleiben: Das Ziel wäre eigentlich gewesen, das Haus zu sanieren, allerdings wird plötzlich der Wunsch nach einem neuen Pool im Garten geäußert, ohne dafür auf andere Verbesserungen verzichten zu wollen. Für den Pool waren aber eigentlich weder Zeit noch Ressourcen eingeplant, weswegen nun vielleicht die Elektrik im Haus nicht vernünftig installiert werden kann.

Gerade bei Digitalisierungsinitiativen geht es häufig darum, Prozesse zu verändern oder zu ersetzen. Wenn aber die bestehenden, bspw. manuellen Tätigkeiten auch nach Einführung des neuen, digitalen Prozesses parallel weiterlaufen, wird die gewünschte Effizienzsteigerung nicht erreichbar sein. Es muss also der Mut vorhanden sein, sich von Bekanntem zu lösen und Neues zu unterstützen. Ebenso bedeutet jede Veränderung auch eine gewisse Investition. So müssen Systeme angepasst werden oder die Mitarbeiter:innen geschult werden. Eine Effizienzsteigerung ist somit meistens nicht direkt nach der Einführung vorhanden, hier braucht es etwas Zeit. Zu guter Letzt braucht es den passenden Nährboden: Eine digitale Transformation benötigt zwar neue, digitale Tools, ein wesentlicher Faktor ist aber die Kultur und der Umgang mit dem Wandel, getreu dem leicht abgewandelten Motto „culture eats your digital process for breakfast“.

herCAREER: Warum ist es bei Transformationsprojekten wichtig, Sichtweisen und Erfahrungen zusammenzubringen und warum fehlen häufig Zielbild und Strategie?

Maren Hartmann: Oft ist das Zielbild nicht konkret genug oder nicht greifbar. Dies ist aber wichtig, um die Teams hinter einem gemeinsamen Ziel zu versammeln und das Vorhaben auch klar abgrenzen zu können: Was machen wir in diesem Projekt und noch viel wichtiger: Was machen wir nicht.

Unterschiedliche Sichtweisen braucht es in einem Transformationsprojekt entlang des gesamten Veränderungsvorhabens, von der Analyse über das Konzept bis zur Umsetzung. In der Analysephase ist es bspw. wichtig, möglichst gut zu verstehen, wie die Begebenheiten in den einzelnen Standorten oder betroffenen Teams sind. In der Erarbeitung des Konzepts sind innovative Ideen absolut unerlässlich, es soll schließlich eine Veränderung eintreten – und gemischte Teams sind bekannterweise innovativer. Wenn in der Umsetzung Hindernisse auftreten, wird ein Team, das viele Sichtweisen vereint, schneller auf einen Lösungsansatz kommen. Auch „Change“ und Verankerung werden einfacher, wenn schon das Projektteam möglichst breit aufgestellt ist. Die Umsetzung eines Transformationsprojekts erfordert zudem viele unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten. Auf der einen Seite sind dies fachliche Aspekte, auf der anderen Seite – und das ist noch viel wichtiger – braucht es die „weichen“ Faktoren, bspw. Analysefähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Empathie, die Fähigkeit zuzuhören, Organisationstalent, Detailwissen, an manchen Stellen Perfektionismus, aber auch gesunden Pragmatismus – um nur einige zu nennen. Die Chancen sind höher, dass man diese Fähigkeiten in einem Team findet, das nicht zu homogen ist.

Manchmal werden Projektteams nach dem Motto „wen kenne ich gut und mit wem kann ich gut zusammenarbeiten“ besetzt. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt und erleichtert möglicherweise den Start, da sich alle Beteiligten schnell einig werden. Die Gefahr ist aber, dass zu eng gedacht wird, wichtige Aspekte werden vielleicht nicht berücksichtigt. Diese sorgen dann spätestens in der Umsetzung für Kopfschmerzen. Meiner Meinung nach sollte es lieber am Anfang eines großen Transformationsprojekts ein „Rütteln“ und viele Diskussionen geben. Wenn es am Anfang zu einfach ist, hat man wahrscheinlich nicht die richtigen Leute an Bord.

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Über die Person

Maren Hartmann ist Expertin für Transformationsprojekte und Digitalisierung bei Horváth. Sie berät seit mehr als zehn Jahren internationale Konzerne und mittelständische Unternehmen bei der Weiterentwicklung der Unternehmenssteuerung und der Transformation des Finanz- und Controlling-Bereichs. Zu sehen, wie im Team gemeinsam nachhaltige Veränderungen umgesetzt werden, gibt ihr die Energie für ihre Projekte. Sie lebt in Frankfurt, studierte in Tübingen und Paris und hat vor ihrem Eintritt bei Horváth im Consultingbereich einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gearbeitet. Abseits des Projektalltags sorgen Snowboarden, Radfahren und Wandern für den nötigen Ausgleich und Weitblick.

Dieser Vortrag ist Teil der herCAREER 2021, Ort und Zeitpunkt finden Sie im Programm.

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