Klimakrise, Coronakrise, Finanzkrise, Wirtschaftskrise – wir denken uns in eine Negativspirale hinein und werden dadurch handlungsunfähig, hat die Neurowissenschaftlerin Maren Urner beobachtet. Die Professorin für Medienpsychologie und Mitgründerin des Online-Magazins Perspective Daily präsentiert am 17. September 2021 auf der Messe herCAREER ihr neuen Buch „Raus aus der ewigen Dauerkrise“. Darin entwickelt sie einen Ansatz, um gewohnte Denkmuster aufzubrechen, das „dynamische Denken“. Mit dieser Methode blickt sie auch auf die Diversity-Debatte.
„Diversity muss die Party in der Stadt sein, die ausverkauft ist“
Fragen nach dem „Wofür“ statt dem „Wogegen“, Fokus auf Gemeinsamkeiten statt auf Trennendes und konstruktive Narrative – das sind für Maren Urner die drei Zutaten des „dynamischen Denkens“. Doch bislang ginge es in Krisendebatten meistens darum, wie man das Bestehende – das vermeintlich „Normale“ – erhalten und noch effizienter machen könne. „Aber Wofür?“, fragt die Neurowissenschaftlerin. „Verschiedene Konstrukte und Strukturen waren uns einmal Mittel zum Zweck, aber mit der Zeit ist uns der Zweck abhandengekommen. Die Herausforderung besteht darin, aus dieser Gewohnheit herauszukommen.“
In ihrem Buch „Raus aus der ewigen Dauerkrise“ stellt sie verschiedene Glückskonzepte vor. Keines geht davon aus, dass Geld glücklich mache. Es sei paradox, dass Menschen dies zwar eigentlich wüssten, sich aber so verhalten, als wäre dies der Fall. Das liege an den Geschichten, die einer „Geld-gleich-Glück-Fantasie“ folgten und die gesamte Gesellschaft durchzögen – sei es in Kinderbüchern, Hollywood-Filmen, Büchern oder Nachrichten.
Während man sich an mehr Geld schnell gewöhne, greife weiterhin die Verlustangst. Aus der Anreizforschung sei bekannt, dass jeder Verlust ungefähr doppelt so stark wiege wie ein gleichwertiger Gewinn. „Auf Negatives reagieren wir stärker als auf Positives. Das sind wir ganz Steinzeittier: In Krisen treibt uns die Angst in die Flucht oder den Kampf.“ Das beobachtet sie auch in der Gender-Debatte. So erklärt sich Maren Urner die Hetzkampagnen gegen Frauen, die in bisherigen Männerdomänen erfolgreich sind – sei es in der Politik, in der Wirtschaft oder im Sport. Diversity gefährde die Macht einiger aktuell Mächtigen.
Doch gerade beim Thema Diversity sei die Studienlage eindeutig: Gemischtgeschlechtliche Teams hätten ein höheres kreatives Potential und träfen bessere Entscheidungen als Monokulturen. Letztlich habe die Menschheit also wie bei allen vermeintlichen Dauerkrisen die Wahl zwischen „Change by Design“ oder „Change by Desaster“. Um aktiv Veränderung zu gestalten, brauche es ein Reframing, so dass Menschen etwa Diversity selbst als Gewinn verstehen. „Diversity muss die Party in der Stadt sein, die ausverkauft ist.“
Maren Urner kennt dynamisches Denken auch aus praktischer Sicht – etwa als Gründerin des Medien-Magazin „Perspective Daily“. Zu gründen sei nie ein „Walk in the Park“. Die Menschen, die ein Unternehmen gestalten, betrachtet sie als das Wichtigste. Sie bräuchten eine gute Ausdauer und müssten sich mit Zeit, Ideen und Gedanken einbringen wollen. Dabei gelte es immer die Balance zwischen Einsatz und Aufopferung zu wahren. „Als Gründerin muss ich zu 100 Prozent von der eigenen Idee überzeugt und bereit sein, neue Erfahrungen zu sammeln und immer wieder neu zu justieren.“
Das Gender-Thema sah sie persönlich lange nicht als relevant für sich an. Doch in der Doppelrolle als Chefredakteurin und Geschäftsführerin bei Perspective Daily wurde sie immer wieder darauf hingewiesen, dass sie eine Frau ist. Noch heute sitze sie oft als einzige Frau auf Podien. Damit Frauen und Männer sich gleichermaßen in die Gesellschaft einbringen können, fordert die Autorin mehr Plattformen und Veranstaltungen, auf denen alle Geschlechter das Gefühl haben, gemeinsam etwas bewirken zu können. „Wenn uns das Corona-Virus eines gelehrt hat, dann, dass es keine Grenzen gibt. Diese Grenzenlosigkeit sollten wir auch zwischen den Geschlechtern akzeptieren.“
Am Freitag, 17. September 2021, von 11.50 bis 12:30 Uhr spricht Maren Urner auf dem Authors-MeetUp der Messe herCAREER über ihr Buch „Raus aus der ewigen Dauerkrise: Mit dem Denken von morgen die Probleme von heute lösen“.
Über die Person
Maren Urner ist Neurowissenschaftlerin und Professorin für Medienpsychologie an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln. Sie studierte Kognitions- und Neurowissenschaften, unter anderem an der McGill University in Montreal, und wurde am University College London in Neurowissenschaften promoviert. 2016 gründete sie gemeinsam mit Han Langeslag das Medien-Magazin „Perspective Daily“, das sich dem konstruktivem Journalismus verschrieben hat. Sie leitete die Redaktion bis März 2019 als Chefredakteurin und war Geschäftsführerin. Ihre beiden Bücher „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang“ (2019) und „Raus aus der ewigen Dauerkrise“ (2021) sind Spiegel-Bestseller. Sie ist eine viel gefragte Keynote-Speakerin und Interviewpartnerin für TV, Radio und Podcast.
Das komplette Programm und die Ausstellerliste der Messe herCAREER ist unter www.her-career.com verfügbar.
Im Interview mit der herCAREER sprach Maren Urner über „dynamisches Denken“ und was das Konzept für die Diversity-Debatte bringen kann..