„Über Hochbegabung spricht man nicht!“ – „So? Wir werden es tun!“ Nicole Gerecht erzählte von ihrem Weg zur Entdeckung der eigenen Hochbegabung, der nicht nur spät sondern auch alles andere als einfach war. Mit Gedankenspielen und Anekdoten aus Alltag und Beruf möchte sie Klischees aufbrechen und lud zum interaktiven Austausch ein.

Hochbegabt ist nicht nur „das männliche Mathegenie“

 

herCAREER: Was raten Sie Frauen, wie sie ihre Hochbegabung im Beruf nutzen können?

Gerecht: Das ist eine wirklich vielschichtige Frage, die man auf unterschiedlichste Weise beantworten könnte. Die Position im Unternehmen und der damit verbundene Einfluss (um beispielsweise Strukturen und/oder Prozesse verändern und voranbringen zu können) sind dafür wichtige Ausgangswerte.

Außerdem muss sich der Beruf auch auf persönlicher Ebene gewinnbringend/erfüllend anfühlen, denn ansonsten bekommen auch hochbegabte Frauen “ihre PS nicht auf die Straße”. Das eigene Potenzial in Leistung umwandeln zu können ist also nicht nur eine persönliche Entscheidung. Es gilt zu untersuchen, was ein möglicher Störfaktor oder sogar Hindernis ist.

Hochbegabte nehmen ihre Umwelt teilweise anders wahr, so auch im Beruf. Sie nehmen beispielsweise mehr Informationen auf, verarbeiten sie schneller und in größeren Kontexten, hinterfragen kritischer. Daher eignen sich für hochbegabte Frauen gut Nischen, die andere vielleicht eher meiden. Denn wenn die eigene Stärke darin besteht “Fehler im System zu erkennen”, holistisch schnell Gegebenheiten zu überblicken oder aber daraus querdenkend Neues entwickeln zu können, dann sollte man sich ganz klar auf solche Pfade begeben und seinen Weg behaupten. Ob der Weg dann unweigerlich “nach oben” führen muss, steht auf einem anderen Blatt. Viele hochbegabte Frauen fühlen sich durchaus auch als Beraterinnen sehr wohl.

herCAREER: Wie können Unternehmen hochbegabte Mitarbeiter fördern und richtig einsetzen?

Gerecht: Hier kommen wir zu einer Frage, die vorangestellt werden muss: Sollte das Unternehmen von der eigenen Hochbegabung erfahren? Es ist leider noch immer ein Tabuthema. Erlebtes, dass mich durch die unIQate-Community erreicht, macht teilweise betroffen und anderes unfassbar wütend! Hochbegabte werden zu Unrecht oft eher als Bedrohung wahrgenommen, als dass man die wirtschaftliche (aber auch gesellschaftliche) Chance in den Vordergrund stellt.

Einem Unternehmen, das sich um seine Mitarbeiter bemüht, sollte man jedoch mit Offenheit begegnen können. Und hier beginnt bereits die erste wichtige Zusammenarbeit für ein win-win. Nach der Akzeptanz benötigen Hochbegabte Abwechslung und Herausforderung, Platz zum wachsen oder ausbreiten, aber auch Autonomie und Anerkennung der Leistung sind nennenswert. Beispielsweise abteilungsübergreifend arbeiten zu können oder einen Vertrauensvorsprung bei zunächst exotisch wirkenden Ideen, sind für Hochbegabte ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung wovon im Umkehrschluss auch das Unternehmen profitieren kann. Unterforderung durch Langeweile und Routine haben einen wirklich negativen und körperlich spürbaren Einfluss auf Hochbegabte. Und wohingegen die eine viel Freiraum und Autonomie wünscht, benötigt eine andere Hochbegabte eher klare Strukturen mit festen Zuständigkeiten – was uns wieder zurück zur Offenheit bringt.

herCAREER: Was raten Sie Menschen, die im Umfeld eines hochbegabten Menschen leben und agieren? Wie können sie ihn oder sie sinnvoll unterstützen?

Gerecht: Es geht dabei ja seltener um die Begabungs- als um die Persönlichkeitsfrage. Eigenarten finden sich bei jedem Menschen.

Aber sicherlich gibt es das ein oder andere Merkmal, das viele von uns Hochbegabte gemeinsam haben: ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und Komplexität vor Einfachheit (einfach ist oft schwer). Ein Familientreffen stellt für Hochbegabte mitunter eine größere Herausforderung dar, als eine tiefgehende Analyse des Konzepts der Unendlichkeit ;) Aber Spaß beiseite, es gibt nicht “den/die Hochbegabte inkl. Handbuch” – wir Menschen sollten uns mit Respekt und Interesse begegnen, dann können wir ganz schnell erfahren, wie wir uns am Besten gegenseitig unterstützen können.

herCAREER: Auf der herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Sparringspartnerinnen aufsetzt. Zu welchen Themen können Sie im Vorfeld / auf der Messe / im Nachgang als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?

  •  Hochbegabung
  • Start-Up
  • (leitende) Frauen in Unternehmen
  • Digitalunternehmen (Games-Branche)
  • Frauenförderung

herCAREER: Gibt es Themen, zu denen Sie persönlich eine/n Sparringspartner/in suchen und einen fachlichen wie persönlichen Austausch weiterführen möchten? Dann benennen Sie uns Schlagworte für ihre Themen.

  • Hochbegabung (im Beruf und Alltag)
  • Recruiting (von Hochbegabten)
  • Frauenförderung
  • Gleichberechtigung

herCAREER: Wie können oder möchten Sie kontaktiert werden?

Über die Person

Nicole Gerecht hat Anfang 2018 unIQate ins Leben gerufen; die Plattform für hochbegabte Frauen. Mit ihren drei Säulen: Community, Experten und Unternehmen will unIQate nicht nur ein Netzwerk aufbauen, sondern es soll auch über das Expertenverzeichnis „Expertory“ Wege zu qualifizierten Experten aus den Bereichen Diagnostik, Therapie, Beratung und Coaching aufzeigen. Im dritten Schritt sollen Unternehmen ins Boot geholt werden: Es muss endlich möglich sein über seine Hochbegabung zu sprechen, damit das Setting im Unternehmen passt, denn nur so können beide Seiten gewinnen. Unternehmen werden bewusst hochbegabte Menschen rekrutieren können oder mit Hilfe der unIQate-Experten durch Maßnahmen die bereits angestellten Hochbegabten unterstützen

Das MeetUp war Teil der Karriere-MeetUps bei der herCAREER 2018.