Sie sind fest von dem Nutzen, den Ihr neues Produkt, Ihre neue Lösung stiften könnte, überzeugt. Aber anstelle von Beifall ernten Sie Desinteresse. Erfahren Sie anhand eines echten Beispiels aus dem Mobilitätsbereich, wie es Ihnen dennoch gelingen kann, ihre Idee in die Realisierung zu bringen. Was gilt es dabei als Rahmenbedingung anzuerkennen, wie sieht eine geeignete Kommunikation aus, wie gewinnt man – die richtigen – Mitstreiter*innen, wie findet man einen Handlungsrahmen und wie bekommt man Sichtbarkeit und schlussendlich – doch – die Umsetzung.

„Bau dir eine Bühne und stell dich mit deiner Idee darauf.“

herCAREER: Wie kann es gelingen, eine Idee zu realisieren, von der man selbst überzeugt ist, die andere aber noch nicht interessiert?

Sylvia Lier: Stellen wir uns vor, wir sind in einem Unternehmen – Hierarchien, Bereiche, Abteilungen, verschiedene Interessen, Politik usw. … Und genau dort ist man beschäftigt. Nun hat man eine vermeintlich gute Idee, aber irgendwie scheint sie niemanden so wirklich zu interessieren. Was nun? Mir selbst hat es geholfen, ganz nüchtern aus drei Perspektiven auf meine Idee zu schauen: rational, emotional und intuitiv. Als es in meinem Fall um das sog. Mobilitätsbudget ging, war es vor über 10 Jahren (2008/2009) so, dass wir uns insbesondere technisch nicht vorstellen konnten, wie man ein Mobilitätsbudget in die Umsetzung bringen könnte. Fazit des Kopfes: perspektivisch interessant, heute noch nicht umsetzbar. Mein – berufliches – Herz entwickelte schnell eine große Begeisterung bzw. Leidenschaft für das Thema. Es fühlte sich großartig an, sich vorzustellen, dass man ganz verschiedene Mobilitätsformen je nach Bedarf, Lust und Laune nutzen können sollte. Die damit verbundene Flexibilität erschien mir absolut erstrebenswert.

Parallel dazu sagte mir mein Bauchgefühl, meine Intuition: unbedingt machen, auf jeden Fall weiterverfolgen! Das habe ich getan. Mein Bauchgefühl war mir sozusagen ein guter Wegweiser, sich mit der Realisierung tatsächlich auf den Weg zu machen. Also erst mal in sich reinhorchen und wenn die Signale stimmen, nach Mitstreitern*innen suchen. Das macht man natürlich zuallererst im eigenen Unternehmen, aber eben nicht nur dort. Ideen kann man auch mit potenziellen Kunden besprechen. Sehr hilfreich ist es auch, Schnittmengen zu anderen Themen zu suchen. Beim Mobilitätsbudget waren es die Hashtags #maas, #Digitalisierung, #Arbeitgeberattraktivität, #Nachhaltigkeit, #Kostensenkung, #Gesundheit u. a. m.. Dadurch entsteht Sichtbarkeit für die Idee an ganz verschiedenen Stellen. Insgesamt gilt, je mehr öffentliche Aufmerksamkeit die neue Idee bekommt, desto größer die Chance, damit auch im eigenen Unternehmen Gehör zu finden und schlussendlich in die Realisierung zu kommen. Andersherum formuliert: Bau dir eine Bühne und stell dich mit deiner Idee darauf.

herCAREER: Welche Rahmenbedingungen muss man dabei beachten und wie kommuniziert man seine Idee erfolgreich?

Sylvia Lier: Ich habe mich während der vielen Jahre, bis ich dazu in 2015 bei der Deutschen Bahn Connect GmbH das erste Entwicklungsprojekt anstoßen konnte, auf mein Bauchgefühl, auf meine Intuition zu dem Thema verlassen. Es hat mir geholfen, kontinuierlich an dem Thema dranzubleiben, gleichzeitig aber auch die limitierenden Rahmenbedingungen anzuerkennen. In der gesamten Zeit war es essenziell, technologische Weiterentwicklungen im Kontext Digitalisierung zu verfolgen und mir einen fachlichen Zugang zu Plattform- und vor allem zu Mobility-as-a-service-Themen zu erarbeiten. Darüber hinaus galt es, unablässig Meinungen zu der Idee abzufragen, Konfliktpotenzial für Geschäftsmodelle zu erkennen und zu verstehen, dass man eine solche Idee nur mit wirklich Begeisterten bzw. echten Fans der Idee vorantreibt. Denn allen war schnell klar, das würde kein Sprint, sondern ein Marathon werden.

Umso wichtiger war es also immer wieder mit verschiedenen Menschen zu der Idee eines Mobilitätsbudgets ins Gespräch zu kommen: Dabei habe ich gelernt, es einfach und verständlich zu beschreiben und dadurch auch, es aus ganz verschiedenen Perspektiven und unterschiedlichen Situationen zu betrachten. Ein Beispiel: Ein Personalleiter entwickelt eine andere Sicht und andere Fragen als ein kaufmännischer Leiter. Anhand der Fragen und Einwände habe ich sukzessive gelernt, was wichtig ist im Hinblick auf Produktmerkmale, aber auch, welche Herausforderungen mit einem solchen Produkt z. B. in Hinblick auf steuerliche Regelungen, Datenzugänge, Schnittstellen zu bewältigen sind. Für die eigene Umsetzung bzw. Entwicklung eines solchen Budgets war das elementar. Genauso entscheidend ist natürlich, dass man für die Umsetzung einer neuen Idee ein gut strukturiertes Projekt inkl. PMO aufsetzt.

herCAREER: Warum ist es bei einer neuen Idee so wichtig, die richtigen Mitstreiter zu finden und wie erreicht man mehr Sichtbarkeit?

Sylvia Lier: Also, wie ich gerade sagte: Es ist entscheidend, maximal viele verschiedene Perspektiven zu der Idee kennenzulernen und dabei unbedingt auch von der Kompetenz bzw. der Expertise der anderen Mitstreiter zu profitieren. Ich habe dann außerdem erlebt, um wie viel einfacher und erfreulicher ein Projekt ablaufen kann, wenn man Freiwillige im Team hat, Menschen, die an eine Idee glauben, es für wichtig und sinnvoll ansehen, sie zu realisieren. Ich habe das Thema also nicht irgendwem krampfhaft „umgehängt“, sondern Ausschau gehalten nach Fans – solchen, die begeistert mitarbeiten und dadurch fast automatisch zu Botschaftern für das Projekt werden. Sichtbarkeit erzielt man also einerseits durch die eigene Projekt-„Fangemeinde“ und andererseits natürlich durch viele Veranstaltungsformate: Barcamps, Konferenzen, Workshops, bei denen man sich mit dem Thema auf die Agenda setzen lassen kann. Dabei muss das neue Produkt nicht bereits realisiert sein. Man kann genauso gut eine Idee zur Diskussion stellen. Wichtig sind auch immer wieder Berichterstattungen in Podcasts, Fachmedien, aber auch auf Social Media Plattformen wie z. B. LinkedIn. Ein echter Beschleuniger kann auch die Teilnahme an einem (Innovations-)Wettbewerb sein. Selbst wenn man nicht gewinnt, bekommt man häufig schon durch die Teilnahme am Wettbewerb viel Aufmerksamkeit.

Insgesamt empfiehlt es sich, aktiv nach Personen bzw. Firmen zu suchen, von denen man meint, dass das neue Produkt interessant für sie sein könnte. Für das Mobilitätsbudget waren das u. a. HR, Fleet, Travel, Controlling – aber auch der Betriebsrat und das Top-Management. Wichtig ist, ins Gespräch zu kommen und Kritik als wertvollen Input zur Verbesserung der Idee anzuerkennen. Und mit all dem stellt man sich und seine Idee dann immer wieder auf die Bühne, bis alle sich wundern, dass es „so was“ nicht schon längst gibt.

herCAREER: Auf der herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Sparringspartnerinnen aufsetzt. Zu welchen Themen können Sie im Vorfeld / auf der Messe / im Nachgang als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?

  • Karriere und Kinder – das geht, will aber zu zweit geplant sein
  • Ein Coach ist keine Nachhilfelehrerin
  • Mal wieder Feuerwehr im Office gespielt und dafür den eigenen Netzwerk-Termin sausen gelassen – schön blöd!
  • Chancen eines Perspektivwechsels
  • Schluss mit Fachlichkeit – wenn es nicht mehr um Argumente geht…

herCAREER: Gibt es Themen, zu denen Sie persönlich eine/n Sparringspartner/in suchen und einen fachlichen wie persönlichen Austausch weiterführen möchten? Dann benennen Sie uns Schlagworte für ihre Themen.

  • Sisterhood – wie kommen wir Frauen zu noch mehr aktiver, gegenseitiger Unterstützung?

herCAREER: Würden Sie auch als Mentor:in in der herCAREER-Community fungieren und wenn ja, welche Frauen würden Sie sich als Mentee wünschen?

Sylvia Lier: Ja, für eine, ggf. 2 Personen (habe aktuell 2 Mentees). Eine, die sich für die o.g. Sparringthemen interessiert. Gerne aus dem Bereich Personenmobilität/Verkehr.

Nutzen Sie eine der Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme, die die Interviewpartner:in angegebenen hat, und beziehen Sie sich auf das Interview der herCAREER-Community.

Über die Person

Sylvia Lier (54) ist in der Welt der Personenmobilität zu Hause: Nach einem dualen Studium der Betriebswirtschaft über die Continental AG war sie lange im Bereich der individuellen, motorisierten Mobilität (Kfz-Flottenmanagement, Fullserviceleasing) bei der LeasePlan Deutschland und der Deutsche Bahn Fuhrparkservice und Deutsche Bahn Connect tätig. Bei der DB war sie außerdem für die plattformbasierten Sharingaktivitäten des Konzerns zuständig: Call a bike und Flinkster gehörten ebenso zu ihrem Verantwortungsbereich wie das neue On-demand-shuttle-Angebot ioki. Im DB Konzern begann sie schon vor über 8 Jahren, vernetzte Mobilitätsangebote aus „Straße und Schiene“ zu entwickeln – so zum Beispiel das sog. Mobilitätsbudget, eine Kombination aus ÖPNV und Sharingangeboten als Alternative zum Dienstwagen. Die Allianz pro Schiene hat dies mit dem Innovationspreis „Mobilitätsgestalterin 2018“ honoriert. Bei der Rheinbahn AG, der Verkehrsgesellschaft der Stadt Düsseldorf, trat sie dafür ein, dass der ÖPNV breiter gedacht wird als nur in Bus und Bahn: Eine enge Verbindung zwischen dem ÖPNV und den Mikromobilitätsangeboten in der Stadt sollte über eine eigene Plattform dazu beitragen, auch ohne eigenes Auto gut mobil zu sein. Sylvias persönliche Mission lautet: „Ich möchte es Menschen ermöglichen, dank eines diversifizierten Mobilitätsangebotes auf die Nutzung des eigenen Fahrzeuges verzichten zu können und damit die Verkehrswende beim Kunden realisieren.“ Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen im Vertrieb, im Business Development, in der Digitalisierung von Prozessen und Produkten sowie in der Strategiedefinition und den daraus resultierenden Transformationsprozessen. In den letzten 15 Jahren war sie als Mitglied der Geschäftsleitung, Vorsitzende der Geschäftsführung/CEO und Vorständin tätig. Außerdem hielt sie ein Aufsichtsrat- und ein Verwaltungsrat-Mandat in Deutschland und in der Schweiz sowie eine Gast-Dozenten-Tätigkeit am Institut für Mobilität an der Universität St. Gallen. Sylvia ist verheiratet, hat zwei Kinder (14 und 17) und lebt im Kölner Norden.

Das MeetUp wird präsentiert von Women in Mobility. Dieses MeetUp ist Teil der Karriere-MeetUps bei der herCAREER 2021, Ort und Zeitpunkt finden Sie im Programm.

Beziehen Sie sich auf das Interview der herCAREER-Community und nutzen Sie eine Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme, die der/die Interviewpartner/in angegebenen hat. Das Angebot für ein Sparring bezieht sich auf einen lockerer Austausch. herCAREER fungiert damit als Brückenbauerin. Nehmen Sie gerne die Einladung für den Austausch an. Sie müssen dafür nichts direkt an Ihre(n) Sparringspartner/in zurückgeben, können sich aber gerne an anderer Stelle im Netzwerk mit Ihrer Expertise einbringen.

Bewerben Sie sich bis zur Deadline mit max. einer DINA4-Seite über sich und ihre Motivation zu dem Mentoring – zusammen mit Ihrem Lebenslauf oder Link auf Ihr Xing- oder LinkedIN-Profil. Nutzen Sie dafür die von dem/der Mentor/in angegebenen Kontaktmöglichkeiten. Die Mentorin steht Ihnen je nach Bedarf für bis zu drei (Video-)Treffen für einen Austausch zur Verfügung. Bitte beachten Sie, dass der/die Mentor/in selbst entscheidet, welche und wie viele Mentees sie zulassen können.

Nutzen Sie die Möglichkeit und bewerben Sie sich! Vielleicht können Sie schon in Kürze ein/e Mentor/in aus der herCAREER-Community an Ihrer Seite wissen.
Einsendeschluss:  1.Oktober 2021